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Biken in der Kornkammer Afrikas

Simbabwe – Mountainbiken im Land der armen Millionäre

10 Minuten Lesezeit
Simbabwe - ein Land für Natur-, Tier- und Bikefreunde! Sylvia Leimgruber hat sich mit ihrem Team und ihrem Bike auf den Weg in das aufregende Land gemacht, um die schönsten Seiten Simbabwes zu erkunden. In ihrem Reisebericht kannst Du das Abenteuer hautnah erleben.

Auf geht’s ins Abenteuer Simbabwe!

Daniel schaut mich an, ich schaue Axel an und Axel zuckt die Schultern. Wir blicken in den Kofferraum unseres Mietwagens, neben uns drei Radtaschen, drei Gepäcktaschen, drei Rucksäcke und eine Fototasche. Wir haben keine andere Wahl, unser Reisegepäck muss in den Landcruiser rein, und wieder raus und andersrum wieder rein und wieder raus. Unser ganzes Tetris-Geschick wird uns abverlangt bis endlich die letzte Tasche im Auto so verstaut ist, dass auf der Rückbank einer von uns noch halbwegs bequem sitzen kann. Ein langer Weg liegt vor uns, wir wollen noch vor der Dämmerung in Chimanimani sein, im östlichen Hochland Simbabwes.

Vom Niedergang des einst reichen Landes …

Nachdem alles im Wagen verstaut ist geht es auch schon los in das Abenteuer Simbabwe
Nachdem alles im Wagen verstaut ist geht es auch schon los in das Abenteuer Simbabwe! | Foto: Daniel Penn

Simbabwe hieß früher Rhodesien, war eine britische Kolonie und die Kornkammer Afrikas, wurde von Weißen regiert und war reich – heute ist Simbabwe unabhängig und bettelarm. Das einst blühende Land wurde durch den autokratischen Kurs des seit über 35 Jahren ununterbrochen regierenden und mittlerweile greisen Präsidenten Robert Mugabe in eine bodenlose Krise gestürzt.

Willkürherrschaft und Vetternwirtschaft führten in einen beispiellosen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Niedergang, ein enges Netz von Bespitzelung- und Unterdrückungsmechanismen überspannt das ganze Land. Fast alle weißen Farmer sind mittlerweile mit brutaler Gewalt von ihren Ländereien vertrieben worden. Keine allzu einladenden Bedingungen für Touristen, die ehemals mit voller Begeisterung in das außergewöhnliche Land gereist sind.

… und seinen Naturschätzen

Auf der anderen Seite ist Simbabwe ein Paradies für alle Natur- und Tierliebhaber. Dank der unterschiedlichen Landschaftsformen und Lebensräume konnte sich hier eine mannigfaltige Artenvielfalt entwickeln. Allein in den von uns anvisierten Chimanimani Bergen gibt es 186 Vogelarten. Die Nationalparks sind ein Geheimtipp für jeden Afrika-Reisenden, der den Massentourismus zu meiden sucht. Einzig die zum Weltnaturerbe gehörenden Victoria Falls, einer der großartigsten Anblicke, die die Welt zu bieten hat, bilden einen Hotspot für Backpacker und Partys.

Der Chimanimani Nationalpark

Unser Ziel liegt im äußersten Osten des Landes fernab von Spaßangeboten und Souvenirläden, an der Grenze zu Mosambik. Die Gebirgslandschaft der Eastern Highlands besteht aus einer Reihe von parallel angeordneten Gebirgskämmen und wartet mit alten zerklüfteten Berggipfeln, bezaubernden Wasserfällen und tiefen Schluchten auf.

Ausgedehnte Wälder, Nebel und Kühle bilden einen deutlichen Kontrast zum umliegenden Land. Der Chimanimani Nationalpark ist der südlichste Teil davon, sein einzigartig unberührtes Gebirge verspricht ein digitales Detox-Abenteuer – kein WLAN, kein 3G, kein Strom, nichts als natürliche Schönheit und wilde Tiere. Die typischen Safari-Tiere darf man hier allerdings nicht erwarten.

Giraffe in Simbabwe
„Ja Guten Morgen“, ist der erste Gedanke, nachdem wir aus der Hütte heraustreten und die Giraffe vor der Haustür steht. | Foto: Daniel Penn

Wir haben die recht moderne und übersichtliche Hauptstadt Harare verlassen und fahren nun auf einer breit ausgebauten Straße durch hügeliges, fruchtbares Farmland Richtung Südosten. Außerhalb der Großstädte herrscht ausgesprochen wenig Verkehr, das umliegende Land wirkt menschenleer. In Marondera, 70 Kilometer östlich von Harare machen wir Halt, um uns mit allen notwendigen Lebensmittel für die kommenden Tage zu versorgen. Die Stadt war seinerzeit das wichtigste Weinanbaugebiet Simbabwes, jetzt verfallen die zahlreichen Kolonialbauten zunehmend. Überall in der Stadt bietet sich uns das gleiche Bild vor Banken und Geldautomaten: Dutzende, teilweise hunderte Menschen warten geduldig in der Schlange, bis sie an der Reihe sind. Bei manchen Banken dürfen sie nicht mehr als 50 US-Dollar am Tag beheben. Eine Garantie, dass sie Bargeld bekommen, gibt es nicht.

Dem Land geht schlicht und einfach das Bargeld aus. 2013 verblieben nach Ausbezahlung der Gehälter für alle Staatsbediensteten ganze 217 US-Dollar in der Staatskasse. Simbabwe hat 2008 die weltweit höchste Inflationsrate erreicht, die Preise vervielfachten sich täglich. Im November des Jahres lag die Inflationsrate bei astronomischen 90 Trilliarden Prozent. Im darauffolgenden Jahr wurde die nationale Währung wegen der Hyperinflation komplett aus dem Verkehr gezogen, seither sind US-Dollar das offizielle Zahlungsmittel Simbabwes.

Der Einkauf und nicht zuletzt das chaotische Durcheinander der Stadt hat uns soviel Zeit gekostet, dass an eine Weiterfahrt nicht mehr zu denken ist. Zu gefährlich ist es, im Dunkeln auf den kaum gewarteten Straßen unterwegs zu sein. Der Himmel beginnt, sich rot zu färben, so als ob hinter dem Horizont langsam die Klappe eines Ofens geöffnet wird. Wir machen uns auf die Suche nach einer Unterkunft. Die Weiterfahrt am nächsten morgen führt durch Tabakfelder und Ackerland. Die Strecke bietet krasse landschaftliche Gegensätze und immer wieder grandiose Aussichten auf die Bergkette im Osten. Von den Bergen und kühlen Höhen um Mutare geht es hinab in das schwüle Tiefland, von dort geht es dann direkt auf die mächtigen Berge zu. Unser Ziel ist zum Greifen nah, wir können es kaum erwarten anzukommen.

Gemischte Gefühle im Nationalpark

Chimanimani erstreckt sich weitläufig auf 1.500 Meter Meereshöhe und wird umringt von den mächtigen gleichnamigen Bergen, die über 2.400 Meter hoch in den Himmel ragen. In den 70ern verliebten sich Hippies in dieses Bergdorf, viele zogen hierher und später weiter, einige blieben, auch jetzt scheint es noch ein Ort von Individualisten und skurrilen Persönlichkeiten zu sein. Die Ortschaft wirkt trotz ihrer 20.000 Einwohner klein und unüberschaubar. Es gibt nur einen bescheidenen Supermarkt, eine Tankstelle und eine Bankfiliale ohne Bankomat. Wir quartieren uns in der Heaven Lodge ein, die auch schon bessere Tage gesehen hat. Die desolate Infrastruktur und die instabile Rechtslage hat landesweit zu einem Investitionsstau geführt, Touristen bleiben aus, oft fehlt schlichtweg das Geld für Wartungsarbeiten.

Eine nicht geteerte Zufahrtsstraße in sehr mäßigem Zustand führt uns ein paar Tage später bei bestem Wetter zum Mutekestwane Basislager. Hier befinden sich die Park-Büros des Nationalparks, wir melden uns an und bezahlen den Eintritt. Alles ganz unkompliziert, wenn man an all die Auflagen in den südafrikanischen Drakensbergen oder am Kilimanjaro denkt. Im gesamten Park ist zudem das freie Zelten erlaubt, überall dort wo es einem gefällt, kann der Schlafsack ausgerollt werden. Es gibt auch Höhlen, die zum Teil mit getrocknetem Gras ausgelegt sind, die bekanntesten sind Red Cave und Peters House. Dass wir unsere Mountainbikes mitnehmen, interessiert niemand, auch die Nationalpark-Ranger nicht.

Direkt hinter den Park-Büros startet der Aufstiegspfad „Bailey’s Folly“, über den wir die Räder die knapp 500 Höhenmeter auf einem steilen und anstrengenden Weg hinauftragen. Wir fädeln uns durch einen Wald aus flechtbeladenen Msasa Bäumen, wilde Orchideen und Proteen säumen unseren Anstieg. Je höher wir kommen, desto bizarrer werden die Erosionsformen im Gestein und desto schöner die Aussichten ins Tiefland. Sobald wir die Kante erreicht haben, öffnet sich die Landschaft und eine goldene Grasebene breitet sich vor uns aus. Malerischer könnte der schmale sandige Weg im hohen Gras nicht angelegt sein.

Innerlich jubelnd radeln wir durch unwirkliche Felstürme, immer wieder bleiben wir stehen, um überwältigt zu sein. Auf 1.600 Meter Höhe erreichen wir unser Ziel, eine sehr einfache Schutzhütte mit Matrazenlagern, Toiletten und Kaltwasserdusche. Trinkwasser liefern die zahlreichen Gebirgsbäche, die den gesamten Nationalpark durchziehen. Das ist der perfekte Stützpunkt für die nächsten Tage. Von dieser Anhöhe aus haben wir einen wunderbaren Blick über das saftige Hochtal des Bundi River. Darüber ragen die Chimanimani Berge mit ihren schroffen Gipfeln aus altem weißen Sandstein und Quarz in den tiefblauen Himmel. Mit Vorfreude auf den nächsten Tag sitzen wir am Lagerfeuer, trinken Rooibostee mit Rum und schauen über das überwältigende Umland, bevor wir uns unter dem afrikanischen Sternenhimmel in unsere Schlafsäcke verkriechen.

Der Mount Peza, auch Ben Nevis genannt weil er optisch an seinen schottischen Namensgeber erinnert, ist unser anvisierter Gipfel für den nächsten Tag. Dazu müssen wir zunächst eine kurze steile Geländestufe ins Bundi Hochtal abfahren. Der Kaltstart setzt uns etwas zu, das Rad fühlt sich noch fremd an. Unten angekommen ist die anfängliche Steifigkeit verflogen und wir betreten die Grasebene auf einem handbreiten Pfad bis zum Talschluss. Für den Aufstieg zum Gipfel müssen wir die Räder schultern, durch wilde, strohgelbe Gräser, vorbei an rot blühender Aloe Vera, Paviane bellen von der anderen Talseite revierverteidigend herüber. Der unbegrenzte Blick hinunter auf das saftige Flusstal begleitet uns auf dem langen Aufstieg.

Der flache Gipfel liegt genau an der Grenze zu Mozambique, die Fernsicht verschlägt uns den Atem. Wir könnten ewig sitzen und die Aussicht genießen, aber wir wollen noch rechtzeitig vor Dunkelheit wieder bei der Schutzhütte sein. Der anfänglich flache verspielte Pfad geht schnell in steiles Gelände über und fordert alles an Konzentration und Fahrtechnik, bevor er sich wieder flacher aber teils verwinkelt den Bergrücken hinunterschlängelt. Der Trail wird mit abnehmender Höhe zunehmend schneller, hält aber ständige listige Stolperfallen bereit.

Schaurige und schöne Momente

Unten im Hochtal angekommen mit Grinsen so breit wie unsere Lenker, nehmen wir noch einen Umweg über die Red Wall Cave. Wir bedauern, dass wir unsere Schlafsäcke nicht dabei haben, was für ein mystischer Schlafplatz. Der Rückweg führt uns über den unteren Teil des Skeleton Pass. Ein Schädel am Wegrand sorgt für einen schaurigen Gruselmoment. In früheren Zeiten war der Skeleton Pass ein Weg, der von Sklavenhändlern benutzt wurde. Die abgelegenen Pfade werden aber auch heutzutage noch von Schmugglern und illegalen Goldsuchern benutzt und für manch einen endet der Weg vorzeitig im Gebirge. Am Abend sitzen wir wieder am Lagerfeuer und können unser Glück nicht fassen. Der Sternenhimmel zum Greifen nah, liegen wir später im Schlafsack und schweigen glückselig vor uns hin.

Am nächsten Morgen geht es über den wesentlich längeren aber dafür flacheren Banana Grove Trail zurück zu den Park-Büros. Der Name stammt von den Baum-Strelizien, die in Wuchs und Blatt den Bananen ähneln. Der Weg wird zunehmend leichter, aber dennoch lauern hier und da Tücken, gut versteckt im hohen Gras. Weiter unten im Wald wird unsere Fahrtechnik wieder stark gefordert, verblockt und verwinkelt fordert der Pfad nochmals unsere letzte Kraft. Am Ausgangspunkt angekommen, sind wir nahezu benommen von dem Bergerlebnis. Der Durst nach einem kühlen Castle Lager drängt uns zurück ins Dorf und damit in die Zivilisation.

Letzte Nacht im Gosho Naturpark in Simbabwe

Die letzte Nacht in diesem wunderbaren Land wollen wir nicht in irgendeinem Zimmer in der Nähe des Flughafens verbringen. Im Gosho Naturpark, einem kleinen Schutzgebiet 70 Kilometer östlich von Harare, in dem Besucher durch Miombowald wandern und Felsmalereien entdecken können, zeigt sich Simbabwe nochmals von seiner schönsten Seite. Es ist schon stockdunkel bis wir dort nach einem für das südliche Afrika typischen Braai mit Boerewors und Koteletts neben der Feuerstelle unsere Schlafsäcke ausrollen. Über uns in den Bäumen klettern lautlos Galagos von Ast zu Ast, neugierig auf uns herunter schielend. Nach einer traumlosen Nacht trinken wir am Morgen noch etwas benommen unseren Kaffee und bemerken im hohen gelben Gras eine seltsam hohe Formation. Auf ein Frühstück mit Giraffen zum Abschied waren wir nicht gefasst. Eine Woche mit Eindrücken für einen ganzen Monat liegt hinter uns. Viel zu früh geht es dann zurück in die Realität bestehend aus Grenzkontrollen, Flughafentrubel, Internet und einer Menge ungeöffneter E-Mails.

Bevor wir die letzte Abfahrt in Angriff nehmen, noch ein obligatorisches Gruppenfoto. In der Schutzhütte haben wir gar nicht erst geschlafen, zu verlockend war der Sternenhimmel.
Bevor wir die letzte Abfahrt in Angriff nehmen, noch ein obligatorisches Gruppenfoto. In der Schutzhütte haben wir gar nicht erst geschlafen, zu verlockend war der Sternenhimmel. | Foto: Daniel Penn

Unseren Guide Collen habe ich unterschlagen – seine Persönlichkeit und seine abenteuerlichen Geschichten wären seitenfüllend und würden den Rahmen für diesen Bericht sprengen. Es wären Geschichten über Rechtsbeugung, Vertreibung und Schikanen, aber auch von dem unbeirrbaren Eifer, der viele Menschen im Simbabwe anspornt, trotz aller Widrigkeiten und Rückschläge auszuharren und zu hoffen, auf die bessere Zeiten.

 

Am 15. November 2017 übernahm das Militär Simbabwes die Kontrolle über das Land. Robert Mugabe trat am 21. November 2017 nach rund 37 Jahren uneingeschränkter Macht zurück und kam damit einer Amtserhebung zuvor. Am 24. November 2017 wurde Emmerson Mnangagwa als Interimspräsident eingesetzt. Ende Juli 2018 fanden seit 1980 erstmals wieder freie Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Nachdem es zu Verzögerungen bei der Verkündung des Wahlsiegers (der ZANU-PF) kam, gingen Menschen auf die Straße und protestierten. Die Proteste wurden von der Polizei gewaltsam niedergeschlagen. Über den Ablauf der Wahl sind sich Wahlbeobachter uneins. Von Wahlbetrug sprach laut Tagesschau jedoch keiner der Beobachter.

 

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