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Steiles in den Dolomiten

Klettern in den Dolomiten: Die Top 3 – Drei Zinnen und Piz Ciavazes

9 Minuten Lesezeit
Wer anspruchsvoll und mit Genuss in den Dolomiten klettern gehen will, sollte sich diese Touren ein wenig genauer anschauen. Denn eines stimmt bei "Ötzi trifft Yeti", "Cassin" und "Via Italia 61" auf jeden Fall: Das Gesamterlebnis.

Wenn ich zum Klettern in die Dolomiten fahre, kommt es nicht darauf an, die beste Felsqualität unter den Fingern zu haben oder außergewöhnliche Bewegungen zu machen. In den Dolomiten geht es in erster Linie um das Gesamterlebnis. Die Felsqualität, insbesondere die der Drei Zinnen, ist oft mäßig mit brüchig-splittrigen Griffen, und die Kletterei recht eintönig. Die Schwierigkeit wird meist durch die Steilheit der Route bestimmt. Aber: Hier gibt es noch echtes Abenteuer, denn die Absicherung benötigt oft viel Erfahrung, die Gebirgslandschaft ist phänomenal und die Länge der Routen fordern einiges an Ausdauer. Diesen Juni war es für meinen Kumpel Woschtl und mich mal wieder soweit. Wir folgten dem Ruf der Dolomiten.

Klettern in den Dolomiten #1: Ötzi trifft Yeti an der Kleinen Zinne

Klettern in den Dolomiten #1: "Ötzi trifft Yeti" an den Drei Zinnen. Die Tour befindet sich an der Kleinen Zinne und ist stetig überhängend. | Foto: David Lochner
„Ötzi trifft Yeti“ an den Drei Zinnen. Die Tour befindet sich an der Kleinen Zinne und ist stetig überhängend. | Foto: David Lochner

Am ersten Tag geht es für uns direkt in die „Ötzi trifft Yeti“, die links neben der bekannten Route „Perlen vor die Säue“ von Stefan Glowacz und Kurt Albert durch den beeindruckenden Pfeiler der Kleinen Zinne zieht. Die Route verläuft genau entlang der Licht-Schatten-Grenze. Die Wand hängt fast die ganze Zeit über. Der Überhang zieht so sehr hinaus, dass man bis zum Ende der achten Seillänge den Einstieg der Route sieht. Die Schwierigkeiten bewegen sich meist im siebten und achten UIAA-Grad, zwei Seillängen sind im oberen achten Grad angesiedelt. Die insgesamt zehn Seillängen fordern durch ihre Steilheit und die anhaltende Schwierigkeit eine gehörige Portion Ausdauer. Gleich die erste Seillänge ist ein guter Indikator, ob man den moralischen Anforderungen gewachsen ist. Der erste Schlaghaken befindet sich auf rund acht Metern Höhe. Bis dahin gilt es, an nicht einhundert Prozent festem Fels im sechsten Grad sicher zu klettern. Zusätzliche Sicherungen, also Friends oder Klemmkeile, lassen sich hier noch nicht legen. In den folgenden Längen gesellen sich zu den Schlaghaken noch einige Bohrhaken hinzu und es kann hin und wieder mit Camalots dazu gesichert werden. Plaisirmäßig abgesichert ist die Route aber auf keinen Fall.

Ein besonderes Schmankerl der „Ötzi trifft Yeti“ ist die siebte Seillänge. Nachdem die zweite schwerere Achterstelle der Route zu Beginn der Seillänge überwunden wird, folgt zum Ende nochmal ein acht Meter langer Runout über einen kleinen Bauch. Auch diese Stelle ist objektiv ungefährlich: Das Sturzgelände ist gut, das heißt die Wand ist glatt, leicht überhängend und es gibt keine Bänder oder Vorsprünge. Die Schwierigkeiten sind etwa im siebten Grad angesiedelt, was kein Problem sein sollte, wenn man vorher die Acht-Plus-Stelle frei klettern konnte, und der Fels ist fest. Trotzdem kostet es einige Überwindung, den letzten Haken zu verlassen und sich weit über der letzten Sicherung im unbekannten Gelände voranzutasten. Wir klettern entspannt die drei verbliebenen Längen im sechsten und siebten Grad zum Gipfel und seilen uns über die Route „Perlen vor die Säue“ ab. 

Informationen zur Tour „Ötzi trifft Yeti“ an der Kleinen Zinne:

  • Ort: Kleine Zinne – Vorgipfel (Sextner Dolomiten)
  • Erstbegehung: Christoph Hainz Kurt Astner, Juni 2000
  • Schwierigkeit: 8+, anhaltend 7+/8 UIAA
  • Zustieg: vom Parkplatz der Auronzohütte in rund 30 Minuten zum Einstieg
  • Abstieg: Abseilen über den Normalweg
  • Charakter: senkrechte Wandkletterei in etwas splittrigem Fels
  • Übersicht: Der Einstieg befindet sich fünf Meter links der Mauer. Die Route folgt dem gewölbten Pfeiler.
  • Zeit: rund sieben bis neun Stunden
  • Ausrüstung: Doppelseil 50 Meter, zwölf Expresschlingen, Friends in den Größen 0,5 – 2, Schlingen

Klettern in den Dolomiten #2: Cassin am Preußturm

Klettern in den Dolomiten #2: "Cassin" am Preußtum. | Foto: David Lochner
„Cassin“ am Preußtum. Luftiges und nicht zu anspruchsvolles Terrain am ausgesetztem Turm. | Foto: David Lochner

Am zweiten Tag lassen wir es etwas ruhiger angehen und machen die „Cassin“ auf den Preußturm. Riccardo Cassin, der Namensgeber der Route, hat mit seinen Gefährten die Südwand des Preußturmes im August 1934 als Erster erklettert. Wenn man sich vor Augen hält, dass diese extreme Klettertour im unteren siebten Schwierigkeitsgrad bewertet ist, so war diese Erstbesteigung noch vor dem Ersten Weltkrieg eine alpine Großtat. Die Cassin steht der Ötzi trifft Yeti in puncto Ambiente trotz des gemäßigteren Schwierigkeitsgrades nicht viel nach. Allerdings ist der Fels aufgrund der vielen Begehungen schon etwas glatter und der Kletterspaß endet bereits nach neun Längen. Dafür kommt der Abenteuerfaktor wieder nicht zu kurz. Die Kletterei ist steil und zwei Seillängen kann man durchaus knackig nennen. Der Preußturm ist zwar in seiner Dimension nicht ganz so beeindruckend wie die Drei Zinnen, dafür bietet er aber steiles Gelände. Er befindet sich neben den Drei Zinnen, nur die Punta di Frida ist noch dazwischen.

Das Gestein ist, verglichen mit den anderen Türmen, vergleichsweise gut und die große markante gelbe Wand bietet relativ festes Material. Nur nach oben hin wird es ein wenig lockerer. Umso krasser erscheint uns die Leistung von Ueli Steck, der 2010 die Routen Cassin (Preußturm), Gelbe Kante (Kleine Zinne) und Comici (Große Zinne) an einem Tag free solo beging, also ohne Sicherung. Ein Gedanke, bei dem es einem schon etwas anders werden kann, hier in der luftigen Ausgesetztheit der Route. Wir klettern jedenfalls mit Seil und allen möglichen Sicherungen stetig nach oben – im Vordergrund steht der Genuss und wir freuen uns, als wir die letzte Seillänge geschafft haben. Doch scheinbar haben wir uns zu früh gefreut, denn mit Schnee haben wir nicht so ganz gerechnet und herunter müssen wir ja auch wieder. Fast beneiden wir die kleinen Menschlein auf den winzigen haardünnen Wegen, die wir von hier oben beobachten können.

Auf dem Abstieg geht es durch eine steile Rinne mit anschließendem Steilabbruch, in der noch einiges an Schnee liegt. Den ersten Teil der Rinne können wir abseilen. Für den zweiten Teil vergrabe ich mich als menschlicher Anker im Schnee und sichere meinen Kletterpartner Woschtl, der große Stufen in den Schnee tritt, im Bergführer-Stil nach unten. Diese Vorgehensweise ist zwar anstrengend, aber die einzige Möglichkeit, einigermaßen sicher wieder herunterzukommen. Langsam nähern wir uns so wieder dem Wandfuß. Gerade bei einer Tour wie der Cassin sollte man den Abstieg nicht auf die leichte Schulter nehmen, denn wer bei der Kletterei schon völlig an seiner Grenze unterwegs ist, wird sich beim Abstieg völlig auspowern und in Gefahr bringen. Wie immer gilt: Man ist erst oben gewesen, wenn man auch sicher wieder unten angelangt ist.

Informationen zur Tour „Cassin“ am Preußturm:

  • Ort: Westliche Zinne
  • Erstbegehung: Riccardo Cassin / Vittorio Ratti 1935
  • Schwierigkeit: 8 UIAA
  • Zustieg: Vom Parkplatz  links einem Weg um die Drei Zinnen folgen. Über das Schuttkar bis zum Einstieg.
  • Abstieg: Vom Gipfel über den Normalweg (3+ UIAA) abklettern bzw. abseilen. Steinmanderln folgen bis Richtung Westwand Große Zinne.
  • Charakter: steiler werdende, teilweise etwas brüchige Kletterei zu einem langen ausgesetzten Quergang
  • Übersicht: Durch den rechten Teil der Südwand erreicht man das breite zweite Band, wo die Südostkante steil hinauf zum Gipfel führt.
  • Zeit: etwa sechs bis sieben Stunden
  • Ausrüstung: Doppelseil 50 Meter, 18-20 Expressschlingen, Schlingen

Klettern in den Dolomiten #3: Via Italia 61 am Piz Ciavazes

Die "Via Italia 61" am Piz Ciavazes ist eine der herausfordernsten Touren an diesem Wandmassiv. Beindruckende Dächer warten auf den Aspiranten. | Foto: David Lochner
Die „Via Italia 61“ am Piz Ciavazes ist eine der herausfordernsten Touren an diesem Wandmassiv. Beindruckende Dächer warten auf den Aspiranten. | Foto: David Lochner

Am letzten Tag erkunden wir noch eine weitere Facette des Kletterns in den Dolomiten. Wir verlassen die Zinnen und fahren Richtung Heimat, um an der Sellagruppe zu stoppen und die Technoroute „Via Italia 61“ zu machen. Schon die ersten zwei Tage waren, was das Thema „Luft unterm Arsch“ angeht, nicht schlecht, aber diese Route toppt noch einmal alles. Sie führt genial durch zwei gewaltige Dächer am Piz Ciavazes. Die Via Italia 61 durchquert den markanten Pfeiler, der sich mittig im Bild befindet.

Bewaffnet mit Trittleitern und Camalots schicken wir uns an, diese zu durchqueren. Unterstützt durch eine Unzahl von alten Schlaghaken, mit denen die Route vollgenagelt ist, gelingt uns das auch ganz gut. Bis auf die beiden Dachlängen, die freigeklettert 9+ und 10- sein sollen, schaffe ich alle Seillängen (bis 8+/9-) auf Anhieb. Die beiden technisch zu kletternden Längen gehen aufgrund der vielen Schlaghaken auch recht leicht von der Hand, das Ambiente und die Ausgesetztheit in der Via Italia 61 sind auf jeden Fall der Hammer. Diese Tour freizuklettern wäre schon eine Sache.

Informationen zur Tour „Via Italia 61“ am Piz Ciavazes:

  • Ort: Piz Ciavazes
  • Erstbegehung: Bepi De Francesch, Quinto Romanin, Emiliano Vuerich e Cesare Franceschetti 1961, freie Begehung Mauro Bubu Bole 2004
  • Schwierigkeit: 9+/10- UIAA
  • Zustieg: Parken am Straßenrand, in etwa 15 Minuten an die Wand. Auf der linken Seite des Massivs durch eine Kante überhängender gelber Fels erkennbar.
  • Abstieg: wie Aufstieg
  • Charakter: steile, teils überhängende Kletterei
  • Übersicht: Einer Reihe von markanten Dächern folgend und teils an einer Kante verlaufend.
  • Zeit: etwa vier bis fünf Stunden
  • Ausrüstung: Doppelseil 50 Meter, zwölf Expressschlingen, 1 Satz Friends + Keile, Schlingen

Tipps für Neulinge im Alpinklettern

Nicht nur beim Alpinklettern spielt Angst und Verspannung eine Rolle, sondern auch beim Klettern in der Halle. Eine gute Möglichkeit, um den Wechsel aus Anspannung und Entspannung in der Kletterhalle zu üben, wird hier vorgestellt: Im ersten Schritt wird bei einer relativ leichten Route einer der ersten Griffe am langen Arm so fest zusammengedrückt wie nur möglich. Am besten stellt man sich dabei eine Zitrone vor, aus der man auch noch den letzten Tropfen Saft hinauspressen möchte. Anschließend wird der Unterarm ganz langsam entspannt. So lange bis man wegrutscht und abspringen muss. Den Punkt kurz vorm Abrutschen sollte man sich einprägen und ein Gefühl dafür bekommen, wann er erreicht ist. Der Unterschied in der Härte des Unterarms zwischen extrem angespannt und kurz vorm Wegrutschen ist zwar zumeist erstaunlich gering, allerdings summiert sich die kleine Kraftersparnis beim Halten jeden einzelnen Griffes über die gesamte Route auf und macht einen Riesenunterschied. Nachdem man diese Übung mit beiden Armen mehrmals wiederholt, kann man die ganze Route auf diese Art klettern. Jeder Griff wird, nachdem er erreicht ist, so locker genommen, bis der Punkt kurz vorm Wegrutschen, den man sich vorher eingeprägt hat, erreicht ist. Dann kann man entspannt die Füße setzen. Für den nächsten Zug erfolgt eine kurze Anspannung der Arme, um dann den nächsten Griff wieder so entspannt wie zuvor zu greifen.

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