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Ein Kletterer muss verreisen ...

Daniel Jung im Interview

9 Minuten Lesezeit
Klettern und Reisen gehören untrennbar zusammen. Wir haben uns mit Daniel Jung, einem der stärksten deutschen Kletterer, über das Reisen an sich, Reiseziele und die richtige Vorbereitung auf eine Kletterreise unterhalten.

Einmal vom Klettervirus infiziert zieht es viele Kletterer in Gebiete wie das Frankenjura, Céüse oder Siurana. Man will reisen, andere Gebiete sehen, Menschen treffen, tolle Routen klettern. Daniel Jung ist nun seit gut eineinhalb Jahrzehnten in vielen Sportklettergebieten der Welt unterwegs. Wir haben mit ihm über das Besondere dieser „Lebensform“ gesprochen, über Motivation, Training und Schlechtwettertage.

Klettern und Reisen?

Stefan Rehm: Daniel, man sagt ja immer, Klettern und Reisen gehörten irgendwie zusammen. Warum denn eigentlich? Woher kommt diese Verknüpfung?

Daniel Jung: Es gibt kaum ein Gebiet wo man das ganze Jahr über Klettern kann, da muss man als Kletterer  ja verreisen und man möchte ja auch mal was Neues sehen. Jedes Klettergebiet ist anders, sobald man da ein schönes Bild von einem neuen Felsen sieht, möchte man da hin.

Kannst Du Dir einen Urlaub ohne Klettern eigentlich vorstellen?

Daniel Jung: Klettern ist ja sehr vielseitig. Eine Bigwall-Reise ist was ganz anderes als ein Deep Water Solo – oder ein Bouldertrip, da wird es nicht langweilig und ich habe noch viele Pläne. Falls dann doch Platz ist für einen Urlaub ohne Klettern, dann würde ich vielleicht in irgendeinem Dschungel wandern oder Höhlen erforschen …

Was tun bei Schlechtwetter?

<a href="/black-diamond/" title="alles von Black Diamond bei Bergzeit">Black Diamond</a>-Athlet Daniel Jung bei seiner Lieblingsbeschäftigung ... | Foto Black Diamond/Mattias Fredriksson
Black Diamond-Athlet Daniel Jung bei seiner Lieblingsbeschäftigung … | Foto Black Diamond/Mattias Fredriksson

Natürlich wünscht man sich im Urlaub gutes Wetter. Klappt natürlich nicht immer. Ist es Dir schon mal passiert, dass Du mit dem Wetter so richtig Pech hattest? Und was machst Du dann? Kartenspielen, den besten Kaffee und die beste Bar der Stadt finden?

Daniel Jung: Ich bin eigentlich eher optimistisch und fahre auch wenn die Wettervorhersage nicht so perfekt ist und andere eher zuhause bleiben würden. Bisher hatte ich damit immer Glück, ich musste eigentlich nie mehr als zwei oder ganz selten drei Tage auf besseres Wetter warten. Es ist zwar schade, wenn es zu warm ist und man auf sein Projekt verzichten muss, aber dann kann man ja was einfacheres machen. Wenn man gar nicht klettern kann, geh ich auch gerne Wandern oder wir spielen tatsächlich Karten.

Kletterer sind ja in Sachen Witterung und Temperatur recht – sagen wir – anspruchsvolle Menschen. Ist es zu heiß, passt es nicht, ist es zu feucht, passt es nicht, ist es zu kalt passt es auch nicht. Beschäftigt Dich das bei der Urlaubsplanung?

Daniel Jung: Natürlich, das weltbeste Training bringt dir nichts, wenn die Bedingungen nicht passen. Man kann immer irgendwie leicht klettern, das macht auch Spaß. Aber wenn ich in den Urlaub fahre, habe ich natürlich ein bestimmtes Projekt im Kopf, das ich machen will und dafür darf es nicht zu warm sein. Gefühlte acht Grad mit einer guten Portion Wind sind für mich perfekt, je wärmer desto schwieriger wird es, ohne Wind ist es manchmal unmöglich. Man kann aber nie davon ausgehen, die perfekten Bedingungen zu treffen. In dem Punkt ist Klettern halt ein Glücksspiel.

Du bist ja schon vor mehr als zehn Jahren aus dem Wettkampfklettern ausgestiegen. War das Reisen und die Freiheit da ein wichtiger Grund? Oder anders gesagt: Hängt man lieber an einem Felsen herum, als irgendwo in der Isolation auf seinen Go in einer Route oder einem Boulder zu warten? Oder geht das schon auch zusammen, wenn man zum Beispiel an Adam Ondra denkt…

"Ich hatte einfach mehr davon, zwei Tage mit viel Klettern am Fels zu verbringen, als für zwei oder drei Tage nur 2 bis 3 Versuche beim Wettkampf am Plastik." | Foto: Thomas Hörster
„Ich hatte einfach mehr davon, zwei Tage mit viel Klettern am Fels zu verbringen, als für zwei oder drei Tage nur zwei bis drei Versuche beim Wettkampf am Plastik.“ | Foto: Thomas Hörster

Daniel Jung: Ich habe früher an vielen Wettkämpfen teilgenommen, irgendwann war es zu viel. Ab und an nehme ich ja immer noch an Wettkämpfen teil, aber nicht mehr so oft. Ich hatte einfach mehr davon, zwei Tage mit viel Klettern am Fels zu verbringen, als für zwei oder drei Tage nur zwei bis drei Versuche beim Wettkampf am Plastik. Ich habe anfangs immer super gerne an Boulderwettkämpfen teilgenommen, leider war es nur immer so warm in den Hallen und vor allem draußen in der Sonne, da hatte ich irgendwann keinen Spaß mehr dran.

Du bist ja jetzt mit Deiner Kletterhalle quasi gebunden. Wie läuft das denn bisher: Musst Du jetzt als Selbstständiger mehr „zuhause“ sein als früher? Und sitzt Du jetzt schon auch mal in Spanien und machst Dir Gedanken, ob jetzt zuhause an der Theke alles passt?

Daniel Jung: Ich bin schon etwas mehr gebunden als früher und kann nicht mehr so flexibel Klettern fahren.Unsere Boulderhalle mache ich ja mit Markus [ Anm. d. Red.: Markus ist Daniels ebenfalls sehr fitter Bruder] zusammen, wir können uns gut abwechseln. Dieses Jahr war unser erstes Jahr mit Hallenbetrieb und ich bin trotzdem gut rumgekommen –  im Frühjahr Chulilla, dann ein paar Wochen in den USA zum Bouldern und Trad-Klettern, im Sommer war ich in Ceüse zum Sportklettern und dann in Norwegen nochmal zum Trad-Klettern. Markus hat viel im Franken geklettert und war letzten Monat in Bulgarien und Rumänien unterwegs.
Aber je länger man unterwegs ist, desto mehr Arbeit wartet auf einen wenn man wiederkommt. Nach und vor den Reisen steht natürlich immer extrem viel Arbeit auf dem Programm. Und manchmal kann man einfach nicht weg. So wie gerade, die besten zwei Klettermonate in Deutschland und man kann nicht raus. Dafür kann man aber zwischendurch Kraft am Plastik tanken.

„… dass ich auch neue Sachen sehe, das ist ja immer am schönsten …“

Du bist ja viel zum Klettern unterwegs. Wie entscheidest Du, wo Du hinfährst? Folgst Du da eher dem Trend oder fährst Du da ganz bestimmt nicht hin? Oder geht’s am liebsten eh immer in dieselben Gebiete?

Daniel Jung: Ich glaube ich bekomme gar nicht so mit, was gerade im Trend ist und was nicht. Ich bin zwar immer wieder gerne in Siurana oder Ceüse. Aber mir ist wichtig, dass ich auch neue Sachen sehe, das ist ja immer am schönsten. Oft bin ich recht spontan und es hängt von der Jahreszeit und den Kletterpartnern ab.

Stört es Dich, dass in manchen Gebieten inzwischen sehr viel los ist. Wie stehst Du denn zu dem „Ach, inzwischen klettern ja zu viele Leute“-Argument?

Daniel Jung: Ist doch super, wenn die Leute in der Natur Spaß haben. Ich finde es aber echt schade, wenn der Fels zugemüllt und wie selbstverständlich die Felsen mit Tickmarks beschmiert werden. Gerade Chalk und Tickmarks machen manche Boulder oder Routen absolut uninteressant, dann habe ich gar keine Lust mehr einzusteigen.

„Gerade Chalk und Tickmarks machen manche Boulder oder Routen absolut uninteressant, dann habe ich gar keine Lust mehr einzusteigen.“

Aber letztlich arbeiten wir, Du mit Deiner Boulderhalle oder wir als Bergzeit ja auch daran mit, dass immer mehr Leute damit anfangen. Und große Unternehmen wie Adidas oder Red Bull sorgen dafür, dass da ordentlich Geld ins Spiel kommt. Vor zwanzig Jahren wäre es ja für Dich sicherlich noch viel schwerer gewesen, vom Klettern zu leben.

Daniel Jung: Ja, das mit den großen Unternehmen ist leider so eine Sache, es wird tatsächlich viel Geld ausgegeben, um Werbung zu platzieren. Die Kletterer selbst oder die Klettergebiete bekommen leider nur sehr wenig davon ab. Ich denke es ist nichts schlimmes daran, wenn wir mit unseren Boulder- und Kletterhallen Leute für einen Natursport zu begeistern. Im Gegenteil, wer gerne in der Natur ist, möchte sie auch schützen und sich umweltbewusst verhalten. Natürlich weiß nicht jedes Großstadtkind, das sich auf einmal beim Bouldern im Wald wiederfindet, wie man sich dort zu benehmen hat. Da müssen Boulder- und Kletterhallen in Zukunft besser informieren. Der größte Teil der Leute bei uns ist am Indoor-Klettern interessiert. Wenn sich jemand bei uns übers Felsklettern informiert, bekommt er die wichtigsten Infos von uns mit: An die Regeln halten, Müll aufsammeln, keine Spuren hinterlassen und Chalk wegbürsten!

„Kletterurlaub in einer Pension passt nicht“

Was sind denn eigentlich Deine Lieblingsreiseziele? Und wo geht der nächste Urlaub hin?

Daniel Jung:  Mal sehen, was kommt, Ziele gibt es genug!

Wenn Du zum Klettern unterwegs bist? Bist Du eher der Bus- oder eher der Pensionstyp?

Auf jeden Fall Bus oder Zelt. Kletterurlaub in einer Pension passt nicht.

Warum? Was genau ist denn eigentlich so reizvoll am Unterwegssein mit dem Bus?

Daniel Jung:  Man ist ungebunden und flexibel, oft hat man ja nicht nur ein Ziel sondern mehrere. Was ist, wenn du eine Pension gebucht hast und auf einmal ist schlechtes Wetter?

Wenn Du zwei Wochen oder mehr in Deinem Bus unterwegs bist: was sind die drei wichtigsten Dinge, die Du dabei hast? Und was vermisst Du dann am meisten?

Daniel Jung: Stirnlampe, Mp3-Player und eine Zahnbürste. Ich vermisse nichts, in meinem Rucksack habe ich immer alles was ich brauche.

Gibt es bei Dir eigentlich auch ein Teil, dass Du immer wieder vergisst?

Daniel Jung: Vor vielen Jahren habe ich mal einen Klettergurt vergessen, da musste sich der Sichernde immer eine Bandschlinge umbinden. Sonst wüsste ich nicht, dass ich mal was vergessen habe. Was man nicht hat, braucht man auch nicht.

Wie schaffst Du es, den Ausbruch des totalen Chaos in Grenzen zu halten? Oder versuchst Du das gar nicht erst?

Daniel Jung:  Man hat ja immer nur begrenzt viele Sachen dabei, da kann es kein Chaos geben.

Die richtige Vorbereitung oder: Woher kommt die Motivation?

"... wenn man im Vorhinein immer schon wüsste, dass man es packt, wäre es auch nur halb so spannend" | Foto: Udo Neumann/udini.com
„… wenn man im Vorhinein immer schon wüsste, dass man es packt, wäre es auch nur halb so spannend“ | Foto: Udo Neumann/udini.com

Für seinen Klettertrip will frau und man(n) ja gut in Form sein. Wie kann man sich denn darauf vorbereiten? Und wie bereitest Du Dich vor?

Daniel Jung: Wenn ich zum Sportklettern fahre, versuche ich Maximalkraftausdauer zu trainieren, wenn es was kürzeres ist oder ich spezielle Züge einüben will, gehe ich mehr bouldern.

Wenn Du jetzt im Urlaub ein hartes Projekt hast und dann rückt irgendwann der letzte Tag näher und man will das unbedingt noch durchsteigen – motiviert Dich das oder macht es das für Dich eher schwieriger?

Daniel Jung: Das ist schon oft vorgekommen. Manchmal ist es gut, den Druck zu haben, manchmal nicht.

Und wenn Du das Projekt vor Urlaubsende nicht schaffst? Ärgerst du Dich dann, dass Du es nicht mehr geschafft hast und nochmal hinfahren musst, oder freust Du Dich, dass Du einen Grund hast, nochmal hinfahren?

Daniel Jung:  Es ist immer ärgerlich wenn man knapp davor ist etwas zu schaffen und dann heim fahren muss. Aber wenn man im Vorhinein immer schon wüsste, dass man es packt, wäre es auch nur halb so spannend. Das gehört dazu.

Welches Reiseziel wäre denn für Dich eigentlich ein Traumziel. Und wo wirst Du bestimmt nie, nie mehr hinfahren?

Daniel Jung: Bigwall Klettern in Marokko, Patagonien, Venezuela, Karakorum oder Grönland? Es gibt vieles was ich unbedingt sehen möchte! Nur Klettergebiete mit künstlichen Griffen gehen gar nicht!

Vielen Dank für Deine Antworten, Daniel und wir drücken Dir die Daumen für Deine nächsten Urlaubsprojekte!

Die passende Kletterausrüstung gibt’s bei Bergzeit: 

Mehr zum Thema Interviews und Kletterreisen im Bergzeit Magazin

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