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Hola Catalunya!

Siurana: Klettern in Spaniens Sportkletter-Mekka

9 Minuten Lesezeit
Siurana ist das größte Klettergebiet in Katalonien. Wer das erste Mal durch das Tal fährt, kommt aus dem Staunen nicht mehr hinaus und beginnt bald zu schwärmen. So wie Axel Grusser, der am spanischen Kalkstein eine Route nach der anderen abhakt.
Siurana Klettern, Foto: A. Grusser
Eine Landschaft zum verweilen. Der Blick von Siurana hat schon so manchem Kletterer die Sprache verschlagen.

Leiste um Leiste, Zug um Zug. Von einem Traumgriff zum nächsten. Keine Bierhenkel, aber herrlich positive Löcher, Kanten, Seitgriffe und vor allem Leisten. Man könnte glauben, diese Felsen hier sind kein Überbleibsel vom Meeresboden, sondern schlicht und einfach zum Klettern geschaffen worden. Es fühlt sich fantastisch  an, am rötlich weißen Kalkstein zu klettern – Meter um Meter, Zug um Zug bis zum Umlenker! Siurana hat sich nicht umsonst zu einem der meistbesuchten Klettergebiete in Katalonien entwickelt. Dabei sind auch die weiteren Sportkletter-Perlen Spaniens nicht all zu weit entfernt. In der Nähe Siuranas befinden sich Margalef, Rodellar, Santa Linya und Terradets, auch wenn ein wenig Strecke sicherlich zurück gelegt werden muss. Das Gebiet Montsant gleich gegenüber ist mit seinen steilen Kalkfelsen, die bei gutem Wetter weitum in der spanischen Gebirgslandschaft zu sehen sind, definitiv einen Besuch wert – vor allem wenn in Siurana am Wochenende der Bär los ist.

Spanische Felsqualität

Siurana Klettern, Foto: A. Grusser
Eine der beliebtesten Routen im Tal: Mandragora, 7b+, verwöhnt mit feinstem Leistenmaterial und einem netten Ausstieg in bestem Fels.

Ins Schwelgen kommt man schnell in Siurana: zuerst beim Anblick der Landschaft, fast verschwenderisch zeigt sich die katalanische Weite mit ihren Wäldern, Hügeln, Bergen und Seen. Dann schweift der Blick an den Fels. Die Ausmaße der Kalksteinriegel sind gigantisch, die Felsqualität schon auf den ersten Blick absolut überzeugend. Die Augen tasten die senkrechten bis überhängenden, bis zu 50 Meter hohen Routen ab und die Finger beginnen zu kribbeln. So geht es wahrscheinlich jedem, der die Straße von Cornudella hoch zu den Felsen kommt. So oder so ähnlich muss es auch Alex Huber gegangen sein, der 1994 im Sektor El Pati mit der Route „La Rambla“ – die wohl berühmteste Route des Gebietes, wenn nicht sogar in Spanien – erstbeging. Das Gefühl allein unter dieser Route zu stehen ist unbeschreiblich. Über einem öffnet sich ein riesiger, rötlicher Felsbug gigantischen Ausmaßes.

Wer ein wenig Glück hat, sieht eventuell einen Aspiranten in der Route, der nach oben hin fast verschwindend klein wird.  Links und rechts davon reihen sich unterschiedlichste Klettereien, von steilen überhängenden löchrigen Felsen mit eher geringer Höhe bis hin zu senkrechten Leistenklettereien, die genauso gut aussehen wie sie auch sind. Siurana ist wohl eines der vielseitigsten Gebiete. Pralle gelbe, goldene Wände durchsetzt von kompakten grauen Platten, Wasserstreifen und Risse gestalten die Schluchten des Klettermekkas. Interessant und malerisch zugleich: eine Ebene unter den Hauptwänden zieht sich eine dunkelrote Sandsteinschicht parallel zum Kalk durch die Landschaft. Formen und Farben wie aus dem Bilderbuch, dazu diese Weite, dass einem das Herz aufgeht! Allerspätestens beim Klettern der ersten Routen drängt sich die Schwelgerei geradezu in den Vordergrund …

Zwei Wochen wollen wir bleiben, bei unserem ersten Besuch in Siurana. Fünf sind es am Ende geworden und mit jedem Tag draußen und jeder gekletterten Tour wird die Wunschliste an Routen immer länger. Bisher habe ich Sportklettern meist eher als Training betrachtet, spätestens in Siurana wird es zum Selbstzweck und fühlt sich richtig gut an!

Überraschung in der „Ay Mamita“

Siurana Klettern, Foto: A. Grusser
Typisch für Siurana sind die Plateaus von denen aus gesichert wird. Leider eignet sich aufgrund der steilen Abgründe und Schluchten nur bedingt für einen Kletterurlaub mit Kleinkindern.

Das habe ich nicht erwartet! Nach 30 Metern Ausdauerkletterei an herrlichsten Griffen kommt nun noch eine fiese Plattenstelle? Das onsight glaubte ich bereits in der Tasche zu haben, das darf jetzt bitte nicht böse sein! Am Band kann man zwar einigermaßen stehen und die kommenden Züge grob planen, aber nach dem Start ist definitiv nur ein Versuch drin, ansonsten geht’s abwärts. Zurücksteigen wird nicht möglich sein, das ahne ich schon. Dummerweise wird hier oben auch noch die Moral abgefragt, denn den Haken gilt es ein ganzes Stück zu überklettern, ehe der rettende Umlenker erreicht ist. Ein letzter Blick zum Sicherungspartner, ein letzter Blick nach oben, noch einmal in den Chalkbag gegriffen und los geht’s.

Diffizile Züge an kleinen Griffen, undeutliche Tritte, aber immerhin rauer Fels, genügend Gripp und gute Reibung um der Gravitation zu trotzen. Ich schiebe mich höher, die Füße halten, die Hände beißen sich in die Minileisten. Noch ein Zug liegt vor mir ! Ich verliere den Überblick und sehe mich langsam aber sicher abrutschen. Ein zischendes „Nein“ durchfährt meine Lippen. Ich schnappe und mache noch einen Zug! Wie hab ich das jetzt eigentlich gemacht? Keine Ahnung! Der nächste Griff ist ein Aufleger! Um Himmels willen ein Aufleger? Und das in meiner Verfassung? Das geht niemals gut! Für einen Blick zu Robert oder gar einen warnenden Ruf ist keine Zeit mehr, ich bestehe nur noch aus Verzweiflung und schiebe mich irgendwie im Kampfflow ein Stück höher. Ein innerlicher Schrei und eine letzte Pressatmung! Der Fuß steht noch und ich schnappe mir den großen Griff und klippe die rettende Expressschlinge. Da ist es wieder! „Ay mamita“, welch passender Name für diese 35 Meter rotgelbes Stück Klettertraum. Erleichterung durchströmt mich und ich genieße den Anblick jedes einzelnen Meters der Route beim Ablassen, bis das 70m- Seil aus ist, ich neben Robert stehe und zu ihm grinse: „Du bist dran!“

Eine Woche reicht in Siurana nicht

Siurana Klettern, Foto: A. Grusser
Im Sektor El Pati sind nicht nur La Rambla und Co. zu finden. Auch einfachere Routen ziehen sich durch perfekten Fels hoch.

Wer denkt Siurana hat nur das Klettern allein zu bieten, der unterliegt einer Täuschung. Wanderungen durch traumhafte Täler, Besuche bei Ölbauern mit dem wahrscheinlichen besten Oilvenöl Spaniens oder Ausflüge in die nahegelegenen Nationalparks runden einen Kletterurlaub in Siurana ab. Wer mit dem Auto aus Deutschland anreist, hat einen gute Strecke vor sich und fährt an die 14 Stunden. Da sind manche Flüge günstiger zu haben, zumal ein Mietwagen in Spanien recht günstig zu haben ist. Siurana ist definitv ein Reiseziel, das länger als nur eine Woche besucht werden sollte! Allein, um die Fülle des Gebietes zu erfassen sollte eine Woche eingeplant werden, schließlich ist Siurana das größte zusammenhängende Sportklettergebiet Nordspaniens. Noch immer wird der Kletterführer von Jahr zu Jahr dicker, unmfasst mittlerweile fast 300 Seiten und wiegt mit seinen weit über 800 Routen in allen Schwierigkeitsgraden ziemlich schwer im Kletterucksack. In Siurana ist Klettern schier endlos und in allen Graden möglich!

Siurana: Kultur trifft Kletterelite

Siurana Klettern, Foto: A. Grusser
Für die einfacheren Touren muss man nicht so weit gehen in Siurana. Hier in der Kagarro malababa, 6b+, ist der Fels genauso gut wie bei jeder anderen Tour.

Neben Familenausflüglern, die sich das malerische Dorf auf dem Plateau mit der Burgruine erschließen, trifft man in Siurana auch eine Menge fitter Kletterer und Profis wie Chris Sharma, Dani Andrada oder auch Yuji Hirayama. Im Dorf mit seinen alten Steinhäusern und seinen kleinen, mit Kopfstein gepflasterten Gässchen fühlt man sich ins Mittelalter versetzt. Der Sage nach handelt es sich dabei und den dazugehörenden Ländereien um die letzten Besitztümer einer maurischen Königin. Der Lengende nach sprang die Maurenkönigin auf ihrem Ross lieber von einer enormen Felswand in die Leere, als sich in die Hände der christlichen Heerscharen vor den Toren des Dorfes zu geben.

Katalonisches Temperament am Fels

Weniger schaurig ist da die Stimmung am Fels. Wie in Spanien üblich geht es locker und entspannt zur Sache, selbst wenn sich mancher Abgang spanischer Kletterkollegen mit einem martialischen „Puta madre“ anders anhört. Am Abend trifft man sich bei Toni am Campingplatz auf ein Bier, kann Neutouren in seinen Kletterführer nachtragen und den Geschichten der internationalen Kletterszene lauschen. Das Refugio ganz in der Nähe bietet neben viel Wärme auch einen Boulder durch die Stube und hat schon zu manchen mitternächtlichen (Tisch-)Boulderpartys geführt.

Praktische Infos zum Klettern in Siurana

Als Reiseziel für die Herbst- und Frühjahrsmonate ist Siurana in jeden Fall eine die Reise wert und gehört in jedem Fall auf die To-Do-List eines Kletterers. Für alle, die sich über meine Lobpreisungen selbst ein Urteil machen und die Anreise per Flugzeug oder auch per Auto auf sich nehmen wollen, hier ein paar wichtige Fakten zum Sportklettergebiet Siurana.

  • Anreise Auto: z.B. München – Siurana (1.500 Kilometer) via Bregenz – Bern – Lausanne – Genf – Chambery – Valence – Nimés – Montpellier – Narbonne – Perpignan – Barcelona – Tarragona – Les Borges del Camp – Cornudella de Montsant – Siurana
  • Anreise Flugzeug: Barcelona mit Fluggesellschaft, Mietwagen am Flughafen, dann siehe oben.
  • Reisezeit: Die Frühjahrs- und Herbstmonate sind günstig. Im Sommer ist es zu heiß und im Winter kann es ungemütlich werden, da sich Siurana auf 700 Meter Höhe in den Hügeln der Sierra und etwas ab vom warmen Meer befindet. Die meisten Sektoren sind aber grob südlich ausgerichtet, sodass nach kalter Nacht auch im Winter perfekte Verhältnisse herrschen können.
  • Siurana Klettern, Foto: A. Grusser
    Neben Traumlinien finden sich auch kulturelle Highlights in Katalonien.

    Führer, Übernachtung, Lebensmittel, Café: Den Kletterführer hat der  Kletterladen in Cornudella, der Campingplatz und das Refugio oben in Siurana (Updates hängen in der Bar aus). Für Übernachtungen besucht man entweder den Camping Siurana, das Refugio Ciriac Bonet, die günstig liegen, um praktisch alle Sektoren ohne Auto zu erreichen. Alternativ quartiert man sich direkt im Dörfchen Siurana ein. Weitere gute Unterkünfte gibt’s im acht Kilometer entfernten Talörtchen Cornudella, in dem man auch zwei kleine Supermärkte und Cafés bzw. Bars findet. Cornudella ist sicher die beste Wahl, wenn man auch andere Gebiete, wie Margalef, Arboli oder Montsant besuchen möchte. (Kleiner Tipp: Olivenöl aus Siurana und die Bäckerei auf dem Marktplatz von Cornudella sind absolute kulinarische Highlights).

Die Ausrüstung für’s Klettern gibt’s natürlich bei Bergzeit:

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