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Das Mittelalter lockt

Wandern am Mittelalterpfad im Hunsrück

7 Minuten Lesezeit
Einst machte der Räuber Schinderhannes den Hunsrück unsicher. Heute sind es harmlose Wanderer auf der "Traumschleife Mittelalterpfad", die das historische Herrstein und seine Umgebung erkunden. Karl-Georg Müller stellt Dir den Premiumweg vor.
Wir sind nicht auf dem Holzpfad, sondern auf dem Mittelalterpfad.
Wir sind nicht auf dem Holzweg, sondern auf dem Mittelalterpfad am Ausgangspunkt in Herrstein.

Wanderweg und Mittelalter – das passt doch gut zusammen! Schon der Italiener Francesco Petrarca kletterte im Jahr 1336 mit einem Gefährten zum ersten Mal „zweckfrei“ auf den Mont Ventoux und gilt als Vater der Bergsteiger. Auf 1.900 Meter kraxeln wir beim Mittelalterpfad zwar nicht hinauf, dafür wandern wir auf dieser Traumschleife hinein ins Mittelalter.

Burg Herrstein wurde 1279 erstmals urkundlich erwähnt. Die Stadtmauer wurde in späteren Jahren niedergerissen, doch der Stadtkern um den Schlossberg und die Burg konnte sich frei entwickeln. Was den Ort Herrstein, der im 18. Jahrhundert auch noch seine Stadtrechte verlor, so besonders macht, sind seine zahlreichen mittelalterlichen Bauwerke und gut erhaltenen Fachwerkhäuser. Nicht zu Unrecht nennt sich Herrstein Künstler- und Handwerkerdorf – aber das allein reicht uns nicht. Wir wollen in Herrstein und um Herrstein herum wandern.

Auszeichnung für den Mittelalterpfad

Ist denn ein Rundgang durch die Gassen nicht faszinierend genug? Nein, ganz und gar nicht. Denn 2010 wurde die Traumschleife Mittelalterpfad – so wurde dieser neun Kilometer lange Wanderweg folgerichtig benannt – zu Deutschlands schönstem Wanderweg gewählt. Natürlich lässt sich trefflich darüber streiten, was einen „schönsten Wanderweg“ ausmacht und ob es nicht besser „der den Abstimmenden am besten gefallende Wanderweg“ hieße. Letztlich bleibt es ja jedem selbst überlassen, seine eigene Meinung zu bilden. Wir jedenfalls wollen diesen Premiumweg heute erkunden.

Startpunkt Herrenstein: Eintauchen ins Mittelalter

Ambiente pur - ein Kräuterlädchen, wie es sie im Mittelalter vielleicht schon gab?
Das Ambiente in Herrstein passt zum Thema: Ein Kräuterlädchen, wie es sie im Mittelalter vielleicht schon gab?

Am Startpunkt in Herrstein erwartet uns ein stilgerechtes Holzportal, garniert mit einer Wandertafel und Broschüren zur Traumschleife. Dabei ist Verlaufen auf dem vom Deutschen Wanderinstitut zertifizierten Premiumweg ausgeschlossen, falls man nicht mit geschlossenen Augen durch die Landschaft läuft. Auf der anderen Seite ist es immer gut, sich die Strecke unterwegs zu vergegenwärtigen. Also packen wir ein Faltprospekt ein. Unsere ersten Schritte führen uns am neuzeitlichen Hankelbrunnen vorbei in einen Wehrgang. Die Enge festigt den Eindruck, dass früher mit einem anderen Maß gemessen wurde – alles ist enger und weniger großzügig als heute, wenn es um städtische Bauten geht. Als wir das schummrige Licht im Gang hinter uns lassen, sind wir umringt von den mittelalterlichen Bauwerken, für die Herrstein bekannt ist. Die nächste Zeit spazieren wir mehr, als das wir wandern, denn es gibt viel zu bewundern.

Von den Gassen hinaus aufs Land: die Traumschleife bietet Abwechslung

Ist ja alles so schön Grün hier - der Hosenbach mit Brücke.
Ist ja alles so schön Grün hier im Hunsrück: Der Hosenbach mit Brücke.

Herrstein hat sich herausgeputzt. Die Damen und Herren wissen wirklich, was sich gehört – die Häuser sehen schmuck aus, so als wollten sie die früheren Herrscher, die Grafen von Sponheim, mit flatternden Fahnen begrüßen. Wir schlendern durch die Gassen, bleiben stehen, informieren uns anhand der Hinweistafeln, die viele Bauwerke zieren, und blicken auch auf zum Uhrturm, der ehemals als Stadttor diente. Überhaupt gönnen wir uns mehr Zeit, als wir vorgesehen hatten. Und letztlich versprechen wir uns, nach der Wanderung vielleicht noch im Cafe zu sitzen oder eins der kleinen Ladenlokale aufzusuchen.

Der stilechte Pranger weist uns daraufhin, wie wenig romantisch das Mittelalter oft war. Von dort gelangen wir in den ältesten Bereich des Ortes. Wir passieren den Rathausplatz. Über uns erheben sich die Schlosskirche und der Schinderhannesturm. Im steil aufragenden Turm hielt man den gleichnamigen Banditen gefangen, bevor er nach einem vergeblichen Fluchtversuch nach Oberstein überstellt wurde.

Wie Schinderhannes lassen wir Herrstein hinter uns, werden aber anders als der Räuber bald zurückkehren. Unsere Wanderung am Mittelalterpfad beginnen wir gleich mit einem zügigen Anstieg. Durch lichten Wald arbeiten wir uns nach oben, bis sich der Blick vor uns öffnet. Wir sehen uns satt am Farbenmeer der zahllosen Blumen und blühenden Sträucher am Wegesrand. Und erfreuen uns an den wie mit zu viel Farbe verklecksten Wiesen und Feldern, die sich in den kräftigen Schattierungen des Sommers ausbreiten. Kleine Dörfer verlieren sich in der flirrenden Sommerhitze, und die Wälder verheißen Schatten. Uns ist das an diesem heißen Sommertag recht.

Diesem Zeichen sollt ihr folgen - Das Logo der Traumschleifen Saar-Hunsrück
Diesem Zeichen sollt ihr folgen – Das Logo der Traumschleifen Saar-Hunsrück

Der Mittelalterpfad verläuft weiter zwischen Äckern und Wiesen, um bald an einem der Wäldchen entlang zu schleichen. Leicht bergab folgen wir ihm bis zum Hosenbach. Dort bleiben wir für eine Weile stehen und genießen das Plätschern des zwischen Büschen und niedrigen Bäumen fast versteckten Bachs. Ein Hinweisschild erläutert uns, dass im nahen Dörfchen Niederhosenbach vermutlich Hildegard von Bingen geboren wurde.

Pure Landschaft - und irgendwo weit entfernt wartet die Zivilisation.
Pure Landschaft – und irgendwo weit entfernt wartet die Zivilisation.

Niederhosenbach lassen wir für heute rechts liegen, denn wir gehen nahe am Bach bis zum Hosenberg. Das Wort „Berg“ weist darauf hin: Es geht wieder aufwärts. Doch das lohnt sich. Über uns schält sich das Naturdenkmal Rabenkanzel aus dem Blätterdickicht der Bäume. Auf dem vorgelagerten Plateau wurde geschickterweise ein verlockender Rastplatz arrangiert. Da fällt uns die Entscheidung nicht leicht: gleich hinauf auf den schmalen Pfaden zur Kanzel, oder doch zuerst eine Rast einlegen? Wir beschließen: erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Wobei mit der Rabenkanzel auch „Vergnügen“ verbunden ist. Die Aussicht vom schroffen Quarzitfelsen entschädigt für das (kurze) nach Atem ringen beim Aufstieg über die felsigen, gewundenen Wege.

Historische Stätten und genug Zeit zum Genießen

Moderne trifft Mittelalter - eine gelungene Liaison von alt und neu.
Moderne trifft Mittelalter – eine gelungene Liaison von alt und neu.

Nach der Verschnaufpause wartet wieder der Hosenbach auf uns. Der Mittelalterpfad verläuft gemächlich hinab – und steigt dann in aller Seelenruhe ein weiteres Mal bergan. Unsere Schritte setzen wir langsamer, weil wir das Tempo der still daliegenden Landschaft anpassen und mit wachen Sinnen aufsaugen, was an Gerüchen und Düften von den Wiesen aufsteigt. Entlang von Feldern erreichen wir den nächsten Höhepunkt: die Jammereiche. Der Eichenwald dort soll im 30-jährigen Krieg niedergebrannt worden sein, was für viele Menschen der Tod war, die hier Schutz suchten.

Wer jetzt die Beine ausstrecken will, für den kommt die Sinnesbank gerade richtig. Wir leisten uns eine zweite Pause. Auf Wanderwegen wie dieser Traumschleife lassen wir unterwegs liebend gern Zeit liegen. „Sich Zeit lassen können“ ist ein Privileg, mit dem wir uns am liebsten selbst beschenken. Und wo anders als beim Wandern können wir dem Zeitdruck besser entfliehen? Schließlich müssen wir trotzdem weitergehen. Himmlische Panoramablicke über die Hunsrückhöhen versüßen uns den Aufbruch. Und damit nicht genug, denn kurz vor dem Abschluss wartet nicht nur eine Aussichtsplattform, sondern bald darauf der Herrsteiner Aussichtsturm. Das sind wirklich schöne Aussichten! Wer ein letztes Mal verschnaufen will, hat auf dem gut bestückten Rastplatz die nächste Gelegenheit dazu, bevor es abwärtsgeht. Auf verschlungenen Wegen nähern wir uns Herrstein, bald tauchen schon die ersten Häuser zwischen den Bäumen auf. Der Mittelalterpfad führt uns noch zum Fischbach und an Gärten vorbei, bis wir zum wohlbekannten Holzportal gelangen.

Die Traumschleife findet hier ihr Ende. Doch wir lassen uns einen zweiten Streifzug durch die historische Altstadt Herrsteins nicht entgehen. Und ehrlich gesagt: Wir wollen nicht nur ein weiteres Mal durch den malerischen Ort bummeln, sondern unsere Wanderung mit Kaffee und Tee beschließen.

Die Traumschleife Mittelalterpfad

Die Traumschleife Mittelalterpfad wird ihrem Namen gerecht. Herrstein „atmet“ Mittelalter. Die Traumschleife, zu der sich auf der Website der Traumschleifen Saar-Hunsrück weitere Informationen finden, kombiniert das Flair einer vergangenen Zeit mit einem abwechslungsreichen Wanderweg. Dabei stellt er mit seinen 8,6 Kilometern Weglänge und rund 300 Höhenmetern keine großen Anforderungen. In 2 ½ bis 3 Stunden schafft man locker die Runde. Wer die Aussichten genießen will und die eine oder andere Rast einlegt, braucht natürlich länger. Für unterwegs sollte eine Brotzeit in den Rucksack gepackt werden – in Herrstein kann allerdings auch gespeist werden. Wegen der Anstiege beispielsweise an der Rabenkanzel rate ich zu guten Wanderschuhen. Und ans Fernglas denken! Und den Sonnenschutz im Sommer nicht vergessen, selbst auf den Hunsrückhöhen brennt die Sonne heiß auf die Haut – weshalb auch ausreichend Flüssigkeit eingepackt werden muss. Wir sind diese Traumschleife gegen den Uhrzeiger gewandert, es spricht aber wenig dagegen, es andersherum zu versuchen.

Gastro-Tipp: Jeder Wanderer hat sich Kaffee und Kuchen in der Zehntscheune in Herrstein verdient, wenn er wie wir die kurzweilige Traumschleife Mittelalterpfad gemeistert hat. Oder er bestellt sich etwas Deftiges wie Saumagen oder Kartoffelwurst – der Appetit kommt bei dieser Wanderung garantiert von selbst.

 

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