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Unberührter Wüstenfels

Klettern in Jordanien um das Wadi Rum

8 Minuten Lesezeit
Jordanien als Kletterdestination? Das dürfte nur wenigen bekannt sein. In der kargen, eindrucksvollen Wüstenlandschaft gibt es steile Felsriegel mit atemberaubenden Linien. Und viel zu entdecken und zu erleben, im Land wie am Fels.

Die Idee, in Jordanien, an diesem bizarren Ort, neue Routen zu erschließen, wurde auf einem Gipfel in den Dolomiten geboren. Mein Seilpartner Uwe Müller zeigte mir Fotos von seiner Jordanien-Reise. Ich war sofort überwältigt und ein erster grober Plan entstand. Es sollte zum Klettern ins Gebiet um das Wadi Rum gehen.

Faszination Klettern in Jordanien

Fels und Sand: Das Klettern im Wadi Rum in Jordanien findet in einer spektakulären Landschaft statt. | Foto: Uwe Müller
Fels und Sand: Das Klettern im Wadi Rum in Jordanien findet in einer spektakulären Landschaft statt. | Foto: Uwe Müller

In einem fremden Land an einem abgelegenem Ort neue Routen im Trad-Stil zu begehen – diese Herausforderung reizte uns. Die Faszination des Wadi Rum liegt darin, dass es in diesem Gebiet noch so viel Potential für Erstbegehungen gibt. Dazu kommt der Reiz, in dieser unwirklichen Wüstenlandschaft zu klettern und für zwei Wochen zu leben. Allein das hörte sich verheißungsvoll an.

Am Ende fanden sich für das Projekt drei Freunde, Jonas Häring, Dominik Schmidbauer und ich, Michael Seidl. Uwe musste leider aus persönlichen Gründen abspringen.

Trad-Erstbegehungen im Wadi Rum

Was für Schwierigkeiten die Erstbegehungen haben werden? Das ist noch nicht abzusehen, da der Grundsatz gilt „Hauptsache die Linie ist geil“. Ziel ist jedoch, eine Route im 8ten UIAA-Schwierigkeitsgrad zu hinterlassen (und Jonas ist top motiviert, dieses Ziel sogar noch zu übertrumpfen).

Dahinter steht aber eine klare Trad-Philosophie. Die Projekte sollen nach Möglichkeit komplett ohne Bohrhaken geklettert werden. Damit respektieren wir den lokalen Kletterstil (auch wenn vor Ort schon einige eingebohrte Sportkletterrouten existieren). Sollte eine Route aber nur an der Problematik scheitern, dass ein Teil nicht mit mobilen Sicherungen abzusichern ist, oder kein ausreichend sicherer Stand aufgebaut werden kann, ist eine Schlagbohrmaschine mit im Gepäck. Beim Bohren zählt aber die Regel: Wo etwas gelegt werden kann, wird kein Haken gesetzt.

Gibt es schon Klettergebiete in Jordanien?

Klettern ist in Jordanien noch nicht sonderlich populär. Es gibt aber einige Sportklettergebiete in Amann, Ailjoun, Jerash, Kerak und Tafileh. Die Gebiete sind im Allgemeinen eher klein, sehen aber trotzdem sehr lohnend aus. Der eigentliche „Hot Spot“ ist Wadi Rum: Wadi bezeichnet einen ausgetrockneten Flusslauf, der aber bei starken Regenfällen teilweise auch Wasser führen kann. Die Landschaft ist vor ca. 30 Millionen Jahren entstanden. Das Klettern in Rum ist vor allem von Sandstein, aber auch Granit geprägt. Die nächste größere Stadt ist Aquaba im Westen. Im Zentrum des Gebietes liegt ein kleines Dorf, das einfache Unterkünfte und Versorgung bietet. In der direkten Umgebung warten eine große Anzahl an Routen und ein schier unerschöpfliches Potential für Neuerschließungen in einer atemberaubenden Landschaft. Der Großteil der Routen dort sind Mehrseillängentouren im Trad-Stil, aber es gibt auch einige gebohrte Sportkletterrouten.

Unterstützt wurde die Reise von: Bergzeit, Tendon, Festool, Rock Empire, Triop, Steinwild, Royal Jordanian Airlines, Mountain Hardwear und Flow-Mow.

Ankunft im Wadi Rum

Unsere Base im Wadi Rum war das Wohnzimmer einer einheimischen Familie, die es uns für die nächsten zwei Wochen zur Verfügung stellte. Den ersten Tag nutzten wir, um das Dorf Rum zu erkunden. Wir waren von der Gastfreundschaft der Jordanier sehr positiv überrascht. Immer wieder wurden wir spontan auf einen Tee eingeladen.

Am nächsten Tag ging es dann endlich los mit dem Klettern. Nachdem wir einen der Klassiker des Gebiets, „The Beauty“ (6a), geklettert haben, können wir sagen, dass die Tour diesen Namen vollkommen zu Recht trägt. Aber nicht nur die Tour besticht durch fantastische Risskletterei. Allein der Zustieg durch wilde, enge Schluchten ist schon ein Erlebnis.

Am nächsten Tag entschieden wir uns für eine Tour auf der Westseite des Wadi Rums, die ab ca. 14 Uhr im Schatten liegt. In der Schlüsselseillänge von „Mad Frogs and Englishman“ (6b) am Jebel Rum musste Jonas Häring einiges an Mut und Kletterkönnen beweisen, um die Platte in der Schlüsselseillänge an schlechten Keilen zu klettern.

Barrah Canyon: In der Wildnis der Wüste

Am nächsten Morgen ging es ausgerüstet mit ausreichend Wasser und Essen für drei Tage in die Wüste. Angekommen im Barrah Canyon wurde uns gesagt: Das nächste Handysignal ist ca. 1 Stunde zu Fuß entfernt. Da war uns klar: Jetzt sind wir in der Wildnis, die wir gesucht hatten. Da wir erst am Nachmittag ankamen, entschlossen wir uns, nur eine kurze Tour zu klettern. „Les Rumeurs De La Pluie“ (6a) ist eine weitere fantastische Tour durch Risse, die man fast nur zum Absichern der Route benötigt und sich kletternd an kleinen Schuppen links und rechts des Risses nach oben arbeitet.

Nach einer Nacht bei Lagerfeuer unter sternenverziertem Himmel ging es am nächsten Tag mit einem weiteren Klassiker des Wadi Rums weiter: „Merlins Wall“ (6a+). Die ersten, vermeintlich leichten Seillängen, folgen einem anliegenden, kompakten Riss. Nach oben hin wird es steiler und zeitgleich strukturierter. Die oberen Seillängen bestechen durch athletische Rissklettrei im besten Fels. Jonas war so überwältigt, dass er einen Stand ausließ und gleich 60 Meter am Stück kletterte.

Am nächsten Tag kletterten wir einen Einseillängen- Fingerriss. Es ist uns weder Name noch Schwierigkeit bekannt. Dieser wird nach oben hin immer enger und trittloser. Eigentlich wollten wir danach noch eine Mehrseillängentour klettern, aber dieser Plan wurde von der Gastfreundschaft einer Beduinengruppe durchkreuzt und so verbrachten wir den Nachmittag beim Teetrinken und Herzeigen unseres Equipments.

Start des Projekts „Erstbegehung in Jordanien“

Danach war die Zeit des Einkletterns vorbei und wir starteten unser Projekt der Erstbegehung. Einen Tag verbrachten wir damit, uns verschiedene Routenmöglichkeiten anzusehen.

Schließlich einigten uns auf eine. Hier einen großen Dank an unsere jordanischen Freunde, die uns verschiedenste Plätze für mögliche Erstbegehungen zeigten. Am ersten Tag konnten wir die ersten beiden Seillängen (6b, 5) schon klettern und die Stände mit Bohrhaken einrichten. Leider war die Felsqualität nicht so gut wie erwartet und wir mussten doch einiges an Gestein entfernen.

Am nächsten Tag begannen wir damit, die ersten beiden Seillängen nochmals zu säubern und machten uns daran die dritte (ein fantastischer Fingerriss in einer Platte, 6c) und die vierte (schwere Einzelstelle am Dach mit schlechter Sicherung, oben raus athletische Rissverschneidung, 7b) erstzubegehen. Eigentlich wollten wir die Tour bis ganz nach oben vollenden (ca. 10 SL), aber wegen Zeitmangel entschieden wir uns, die Tour auf dem Plateau nach der 4. Seillänge zu beenden. Wir haben den Plan, zurückzukommen und die Tour zu vollenden. Das Ergebnis ist „Abu Shakra“ 7b. Dies ist der arabische Spitzname Jonas Härings, es heißt so viel wie der „verrückte Blonde“.

Das Ergebnis ist
Das Ergebnis ist „Abu Shakra” 7b. Dies ist der arabische Spitzname Jonas Härings, es heißt so viel wie der „verrückte Blonde”.

Klettern mit Kindern aus dem SOS-Kinderdorf

Noch vor Beginn des Jordanien-Trips kontaktierten wir das jordanische SOS-Kinderdorf und haben angeboten, einen Tag mit Jugendlichen in der Wüste klettern zu gehen. Die Aktion startete an unserem letzten Tag in Jordanien mit 18 Jugendlichen aus Amman.

Die Freude in den Augen der Jugendlichen und die Dankbarkeit, die sie uns zeigten, war sicher das absolute Highlight unseres Trips. Für uns war diese Aktion eine schöne Möglichkeit, Danke zu sagen und etwas zurückzugeben für die unglaublich schönen zwei Wochen in Jordanien.

Alles in allem kann man einen Trip nach Wadi Rum zum Trad-Klettern absolut empfehlen. Unendliches Potenzial für Neutouren, fantastische, bereits bestehende Linien gepaart mit der Gastfreundschaft der Jordanier lassen einen Trip unvergesslich werden.

Allgemeine Infos zum Klettern in Jordanien und um das Wadi Rum

Jordanien liegt im Nahen Osten und ist umgeben von Syrien, dem Irak, Saudi Arabien und Israel. Das mag momentan nicht unbedingt nach einem Ort klingen, an dem man einen entspannten Kletterurlaub verbringen kann. Aber das Königreich gilt als gemäßigt und politisch stabil, wobei man natürlich die aktuellen Entwicklungen im Auge behalten sollte. Jordanien ist ein Viertel so groß wie Deutschland und wird von knapp zehn Millionen vorwiegend muslimischen Menschen bewohnt. Die Landschaft ist von einem hohen Wüstenanteil geprägt, was unter anderem extreme Temperaturschwankungen sowohl im Tages- als auch im Jahresverlauf zur Folge hat. Der einzige internationale Flughafen befindet sich in der Hauptstadt Amman.

  • Die Anreise erfolgt über den oben genannten Flughafen in Amman und dann weiter mit dem Flugzeug nach Aqaba, welches rund eine Autostunde entfernt von Wadi Rum liegt. Es ist aber auch möglich, direkt von Amman mit dem Auto zu fahren (ca. fünf Stunden). Übernachten kann man entweder direkt unter den Kletterfelsen in der Wüste oder aber man mietet sich ein Zelt in dem nächstgelegenen Dorf Rum. Dort gibt es auch Restaurants, oder man lässt sich von den Beduinen bekochen.
  • Fels: Die Gegend um das Wadi Rum ist insbesondere von Granit und Sandstein geprägt.
  • Reisezeit: In der Wüste von Wadi Rum kann es im Winter in der Nacht bis zu zwei Grad kalt werden und im Sommer am Tag bis zu 36 Grad heiß, weswegen es am besten ist, die Kletterreise im Frühling oder Herbst anzutreten. Dann liegen die Nachttemperaturen zwischen 12 und 15 Grad und die Tageshöchsttemperaturen zwischen 26 und 30 Grad. Außerdem gibt es in dieser Zeit – im Gegensatz zum Winter – auch kaum Regentage.
  • Kletterführer, Übernachtung: Als Anhaltspunkt für die bereits bestehenden Touren haben wir uns den Kletterführer „Treks and Climbs in Wadi Rum, Jordan“ von Tony Howard geholt und Kontakt zu einem kletternden Local geknüpft. Dieser wird in den Gebieten, wo noch keine Touren erschlossen sind, die Kommunikation mit den Beduinen übernehmen und für uns abklären, ob es für diese in Ordnung ist, wenn dort geklettert wird.
  • Noch Ausrüstung benötigt? Bei Bergzeit gibt es alles, was das Herz des Kletterers begehrt:

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