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Unterschätzte Gefahr

Höhenkrankheit vorbeugen: Tipps zur richtigen Prophylaxe

9 Minuten Lesezeit
Ob Anden-Trekking, Alpen-Hochtour oder Nepal-Reise - die Gefahr durch die Höhe wird häufig unterschätzt. Sebastian Fiedler erklärt, wie man Höhenkrankheit vorbeugen kann und welche Risikofaktoren es gibt - und räumt dabei mit gängigen Irrtümern auf.

„Schneller, höher, weiter“ – diese Devise gilt auch für das Bergsteigen, das immer populärer und extremer wird. Dies betrifft nicht nur den Spitzenalpinismus, wo neue, spektakuläre Routen erschlossen werden, Speed-Begehungen von klassischen Routen durchgeführt werden oder der alpine Begehungsstil auf Siebentausender und Achttausender übertragen wird. Auch im Breitensport führt dies dazu, dass sich immer mehr Bergsportler in Höhen vorwagen, in denen sie mit neuen Problemen konfrontiert werden. Eines dieser zentralen Themen ist die Höhenkrankheit. In diesem Artikel möchte ich die Grundlagen zum Thema vermitteln, die Formen der Höhenkrankheit vorstellen und darauf eingehen, wie man der Höhenkrankheit vorbeugen kann.

Was ist Höhenkrankheit?

Unter dem Sammelbegriff Höhenerkrankungen versteht man alle Anpassungsstörungen an subakut einwirkende Höhenhypoxie.

So definiert das Handbuch der Trekking- und Höhenmedizin der deutschen und österreichischen Gesellschaften für Berg- und Höhenmedizin den Begriff¹. Doch was verbirgt sich dahinter?

Höhenkrankheit kann bereits ab einer Höhe von 2.000 bis 2.500 Metern auftreten.

Pixabay

Höhenkrankheit kann bereits ab einer Höhe von 2.000 bis 2.500 Metern auftreten.


Die Höhenkrankheit ist ein äußerst komplexes Thema, bei dem viele Detailfragen in der Forschung noch nicht abschließend geklärt sind. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit zunehmender Höhe der Sauerstoffpartialdruck in der Luft sinkt; vereinfacht gesagt ist also in der gleichen Menge Luft weniger Sauerstoff gebunden. Zusätzlich liegen weitere Veränderungen vor, die die körperliche Leistungsfähigkeit deutlich einschränken (Kälte, trockene Luft, …) und mit einer Leistungseinbuße von bis zu 10 Prozent pro 1.000 Höhenmeter einhergehen¹. Bis zu einem gewissen Level kann der Körper dies ausgleichen, indem er die Atem- und die Herzfrequenz erhöht. Zusätzlich schaltet der Körper eine ganze Reihe an Regulationsmechanismen hinzu (auf Ebene der roten Blutkörperchen, der Lunge, der Gefäße und vieler weiterer Bereiche), um den Sauerstoff besser aufnehmen und verarbeiten zu können. Diese Anpassungsmechanismen sind jedoch begrenzt, so dass es ab bestimmten Höhen zu Problemen mit einer Unterversorgung an Sauerstoff (Hypoxie) kommen kann.

Formen der Höhenkrankheit

Man fasst folgende drei Krankheitsbilder unter dem Überbegriff Höhenkrankheit zusammen:

  1. Akute Höhenkrankheit (Acute Mountain Sickness, AMS): Diese Form kann bereits ab 2.000 bis 2.500 Metern auftreten und ist sehr unspezifisch, häufig tritt ein Mischbild aus Müdigkeit, allgemeiner SchwächeÜbelkeit mit AppetitlosigkeitSchwindelerhöhtem Ruhepuls oder vermindertem Wasserlassen auf. Als Leitsymptom gilt aber der Kopfschmerz. Genaue Zahlen zur Häufigkeit sind schwierig anzugeben, man geht aber davon aus, dass bis zu 50 Prozent¹ aller Bergsteiger ab entsprechenden Höhen solche Symptome zeigen.
  2. Höhenlungenödem (High Altitude Pulmonary Edeme, HAPE): Ist die häufigste Todesursache, da es oftmals als harmlos wahrgenommen wird. Es tritt meist erst nach ein bis zwei Tagen und in Höhen zwischen 3.000 und 5.000 Metern auf und ist charakterisiert durch ausgeprägten Leistungsverlust, akute AtemnotReizhusten, sogenannte Raschelgeräusche beim Atmen (bedingt durch Wasser auf der Lunge) und Zyanose (Blaufärbung von Lippen und Schleimhaut durch verringerten Sauerstoffgehalt). Häufig (aber nicht zwingend) treten zusätzlich die allgemeinen Symptome der AMS auf. Die Häufigkeit wird in der Literatur mit unter einem Prozent angegeben, jedoch mit einer Todesrate von bis zu 24 Prozent¹.
  3. Höhenhirnödem (High Altitude Cerebral Edeme, HACE): Ist die Form, die vor allem in sehr großen Höhen (über 5.000 Meter) auftritt und sich durch Schädigung des Gehirns durch einen erhöhten Druck charakterisiert. Es zeigen sich häufig LähmungenBewegungsstörungenKopfschmerzenHalluzinationen bis hin zum Koma. Die Häufigkeit liegt bei dieser Form unter 0,5 Prozent, jedoch mit einer Todesrate von bis zu 40 Prozent¹, da häufig auch mit adäquater Therapie keine Besserung mehr möglich ist und diese Form besonders häufig in sehr exponierten Höhen auftritt, wo Hilfe nur erschwert möglich ist.

Anpassungsfähigkeit des Körpers

Die Anpassungsmöglichkeiten des Körpers und damit auch das Risiko, an einer der genannten Formen der Höhenkrankheit zu erkranken, variiert mit der Höhe, in der wir uns befinden. Diese wird in der Fachliteratur in der Regel in drei Kategorien eingeteilt (die genauen Werte schwanken dabei in der Literatur und natürlich auch von Mensch zu Mensch):

  1. Moderate Höhen (ca. 1.500 bis 2.500 Meter): Hier ist in der Regel eine Sofortanpassung des Körpers möglich, ohne dass man als Bergsportler etwas davon merkt. Dies betrifft vor allem normale Bergwanderungen.
  2. Große Höhen (ca. 2.500 bis 5.500 Meter): Ab circa 2.500 Metern wird eine Akklimatisation empfohlen, da eine Sofortanpassung nicht mehr möglich ist. Der Körper braucht etwas mehr Zeit, um alle Regulationsmechanismen in Gang zu bringen und den Sauerstoffmangel auszugleichen. Prinzipiell ist eine vollständige Akklimatisation und damit ein dauerhafter Aufenthalt in diesen Höhen möglich, jedoch mit Einbußen der Leistungsfähigkeit. Hierbei handelt es sich um Höhen, in denen sich viele alpine Berg- oder Hochtouren im Alpenraum abspielen, aber auch beliebte Trekkingrouten im Himalaya und im Andenraum befinden sich auf dieser Höhe.
  3. Extreme Höhen (über 5.000 Meter): Eine vollständige Akklimatisation ist nicht mehr möglich, der Körper kann das Sauerstoffdefizit nicht mehr vollständig ausgleichen. Es sind nur zeitlich limitierte Aufenthalte möglich.
Auch Nicht-Bergsteiger kommen heutzutage mit der Gondel hoch hinaus – wie hier im Skigebiet am Pitztaler Gletscher.

Kolli/pixelio.de

Auch Nicht-Bergsteiger kommen heutzutage mit der Gondel hoch hinaus – wie hier im Skigebiet am Pitztaler Gletscher.


Akklimatisation ist alles? Risikofaktoren

Doch was kann dazu führen, dass man tatsächlich an einer Form der Höhenkrankheit erkrankt? Zum einen ist hierfür eine individuelle Prädisposition verantwortlich, die sich auch durch ausführliche Voruntersuchungen nicht sicher ausschließen lässt. Zum anderen gibt es gewisse Verhaltensweisen, die das Risiko einer Erkrankung deutlich erhöhen. Laut Prof. Dr. Peter Bärtsch, ehemaliger Präsident der internationalen Gesellschaft für Bergmedizin (ISMM) und angesehener Wissenschaftler zum Thema Höhenkrankheit, ist es vor allem „eine im Verhältnis zur individuellen Anfälligkeit und Vorakklimatisation zu schnelle Aufstiegsgeschwindigkeit“, die zur Höhenkrankheit führt.

Gemeinsame Risikofaktoren für alle Formen der Höhenkrankheiten sind folgende – diese gilt es zur Abschätzung des individuellen Risikos zu beachten³:

  1. die absolute Höhe
  2. die Aufstiegsgeschwindigkeit
  3. die individuelle Prädisposition (zum Beispiel Vorerfahrungen in großer Höhe)
  4. die (mangelnde) Akklimatisation

Immer wieder tritt die Frage auf, ob ich nicht schon im Tal voraussehen kann, ob ich ab einer bestimmten Höhe höhenkrank werde. Die Antwort hierauf ist ein eindeutiges „Jein“. Das individuelle Risiko ergibt sich laut Prof. Dr. Bärtsch aus „der Aufstiegsgeschwindigkeit und der Vorakklimatisation, sowie, falls bekannt, der Höhenanamnese“. Eine sichere Prognose ist jedoch nicht möglich. Wenn aber zum Beispiel unter ähnlichen Bedingungen bei vorherigen Begehungen eine Höhenkrankheit aufgetreten ist, so ist das Risiko sicherlich wieder erhöht. Andersherum ist das Risiko, wenn bei ähnlichen Begehungen nie Probleme aufgetreten sind, sicherlich etwas reduziert, liegt aber keinesfalls bei null.

In den bolivianischen Anden kommen Reisende mit dem Jeep auf Höhen bis zu 5.000 Meter. Eine ausreichende Vorakklimatisation ist hier Pflicht, denn oft werden bei solchen Touren bis zu 2.000 Höhenmeter in wenigen Stunden überwunden.

Franziska von Treuberg

In den bolivianischen Anden kommen Reisende mit dem Jeep auf Höhen bis zu 5.000 Meter. Eine ausreichende Vorakklimatisation ist hier Pflicht, denn oft werden bei solchen Touren bis zu 2.000 Höhenmeter in wenigen Stunden überwunden.


Häufig wird der Fehler begangen, dass körperliche Fitness damit gleichgesetzt wird, nicht an der Höhenkrankheit zu erkranken. „Gute Ausdauerleistungsfähigkeit ist eine Voraussetzung für Touren im Hochgebirge und sollte deshalb „mitgebracht“ bzw. antrainiert werden.“ Wichtig zu wissen ist jedoch: „Sie schützt aber nicht vor Höhenkrankheit!“, so Prof. Dr. Bärtsch. Eine gute körperliche Fitness ist also Grundvoraussetzung für Touren in großen Höhen, minimiert aber nicht das Erkrankungsrisiko.
Oftmals wird zudem schlicht und einfach die Höhe unterschätzt. Gerade im Alpenraum gehen viele Bergsteiger häufig davon aus, dass man sich noch nicht in gefährlichen Höhen befindet. Dies ist jedoch ein Irrtum, da bei entsprechender Prädisposition bereits in mittleren Lagen schwere Erkrankungen auftreten können.

Höhenkrankheit vorbeugen

Akklimatisation

Mit gewissen „Taktiken“ lässt sich das Risiko an Höhenkranheit zu erkranken deutlich reduzieren. Es empfiehlt sich für eine gute Vorbereitung, eine ausreichende Akklimatisation einzuplanen. Dies ist vor allem dann notwendig, wenn man sich über einen längeren Zeitraum in den entsprechenden Höhen aufhält. In großen Höhen ab 3.000 Metern wird beim Aufstieg in der Regel eine Erhöhung der Schlafhöhe um maximal 300 Höhenmeter pro Tag empfohlen². In mittleren Höhenlagen der Alpen kann dies heißen, einen oder zwei Tage für Akklimatisationstouren und Übernachtungen auf höher gelegenen Hütten einzuplanen.

Höhenmedizinische Beratung

Für große Unternehmungen und Expeditionen im Hochgebirge würde ich eine höhenmedizinische Beratung³ empfehlen, in der die genaue Aufstiegstaktik (Akklimatisationstouren, Tourenplanung, Planung der Schlafhöhe, Trainingsplanung) sowie die individuellen Risiken (Grunderkrankungen, Leistungsreserven) besprochen werden, über die wichtigsten Symptome aufgeklärt wird sowie medizinische Untersuchungen durchgeführt werden. Gerade Bergsteiger mit Vorerkrankungen sollten unbedingt Voruntersuchungen (Lungenfunktion, Belastungs-EKG, Labor, …) durchführen lassen.

Wer Höhentrekking plant – zum Beispiel in Nepal – sollte im Vorfeld eine höhenmedizinische Beratung in Anspruch nehmen und entsprechende Maßnahmen zur Vorbeugung von Höhenkrankheit treffen.

Pixabay

Wer Höhentrekking plant – zum Beispiel in Nepal – sollte im Vorfeld eine höhenmedizinische Beratung in Anspruch nehmen und entsprechende Maßnahmen zur Vorbeugung von Höhenkrankheit treffen.


Medikamente?

Bei einem entsprechenden Risikoprofil kann die prophylaktische Einnahme von Diamox® diskutiert werden, um das Risiko, an einer Höhenkrankheit zu erkranken, zu minimieren. Dies sollte jedoch nur nach ausgiebigen Untersuchungen und nach Rücksprache mit einem Höhenmediziner erfolgen². Da es sich hierbei sowohl medizinisch als auch ethisch um ein spannendes und nicht enden wollendes Thema handelt, soll an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen werden.

Allgemeine Verhaltensregeln

In großer Höhe ist es besonders wichtig ausreichend zu trinken, um Dehydrierung zu vermeiden. Das gilt natürlich erst recht bei körperlicher Anstrengung. Auch ein ausreichender Sonnenschutz in den Bergen (Sonnenbrille, Outdoor- Kappe, Sonnencreme) ist selbstverständlich – ein Sonnenbrand trocknet den Körper zusätzlich aus. Weiterhin sollte darauf geachtet werden, kein schweres, fett- und eiweißhaltiges Essen zu sich zu nehmen. Viele Kohlenhydrate, leichte, verträgliche Mahlzeiten und Suppen sind eine gute Wahl. Kaffee und Alkohol sollten vermieden werden (Dehydrierung). Außerdem gilt: es langsam angehen lassen und sich nicht überanstrengen! Bei starkem Schwitzen – ebenso wie bei Durchfallerkrankungen – sollte man auf eine ausreichende Zufuhr von Elektrolyten achten.

Bei ersten Symptomen nicht weiter aufsteigen

Ein Risiko ausschließen lässt sich auch bei allen vorbeugenden Maßnahmen nicht. Treten erste Anzeichen auf, sollte auf keinen Fall weiter aufgestiegen werden. Bessern sich die Symptome über Nacht nicht, hilft nur der Abstieg. Am Ende muss jeder Bergsteiger für sich und seine Gesundheit selbst die Verantwortung übernehmen, seine Ausrüstung, sein Können sowie seine körperliche Leistungsfähigkeit richtig einschätzen, und auch die Entscheidung zur Umkehr bzw. zum Abstieg treffen können.

Alles über Symptome und Behandlung der Höhenkrankheit erfährst Du hier.


Hinweis des Autors

Dieser Artikel gibt lediglich einen Überblick über das Thema und ersetzt keinesfalls eine medizinische Beratung. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Korrektheit. Das Thema ist in seiner Ganzheit deutlich komplexer und wurde hier auf das Wesentliche reduziert. Der Artikel wurde anhand der unten genannten Literatur und auf Grundlage der Inhalte von Bergmedizinischen Fortbildungen erstellt.

Quellen und weiterführende Literatur

Für Interessierte empfehle ich folgende Literatur:

  • Alpin- und Höhenmedizin, Springer Verlag: Ein umfassendes Buch mit sämtlichen Grundlagen zum Thema, sehr detailliert
  • Handbuch der Trekking- und Höhenmedizin, 8. Auflage, Österreichische Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin/Deutsche Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin
  • https://hoehenmedizin.org – sehr informative Homepage, die die wichtigsten Fragen nochmals detailliert aufführt

Folgende Quellen wurden für den Artikel herangezogen:

¹ Handbuch der Trekking- und Höhenmedizin, 8. Auflage, Österreichische Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin/Deutsche Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin
² Peter Bärtsch et al., Acute High Altitude Illness, The New England Journal of Medicine, 2013
³ Peter Bärtsch et al., Basiswissen für die höhenmedizinische Beratung, Deutsches Ärzteblatt, 2011

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