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Vom Schaf zum Shirt

Was macht Merinowolle von Ortovox so besonders?

7 Minuten Lesezeit
Funktionsfaser, Trendmaterial und nachwachsender Rohstoff: Merinowolle ist immer noch heiß begehrt, wenn es um moderne Funktionsbekleidung geht. Stefan Krause, Head of Product von Ortovox, erklärt im Interview, was die Wolle von Ortovox so besonders macht und warum nur tasmanische Wolle in die Produkte des Herstellers aus Taufkirchen kommt.

Lisa Amenda: Warum verwendet Ortovox Merinowolle?

Stefan Krause: Merinowolle ist nach unserer Überzeugung die funktionellste Faser, die es gibt. Sie ist hochkomplex aufgebaut und besteht aus 32 Aminosäuren. Polyester oder Zellulose-Fasern sind hingegen sehr einfach aufgebaut. Dadurch hat die Merinowolle unter anderem folgende Vorteile:

  1. Sie wärmt, wenn sie nass ist,
  2. nimmt bis zu 35 Prozent Feuchtigkeit auf, ohne sich feucht anzufühlen,
  3. und sie stinkt nicht. Man kann sie ohne Probleme auf eine Mehrtagestour mitnehmen und verliert dabei keine Freunde.

Wolle aus Tasmanien

Wieso setzt Ortovox gerade auf tasmanische Merinowolle?

Wir waren auf der Suche nach Wolllieferanten und dabei war uns absolut wichtig, dass die Wolle nicht gemulesed ist. Dadurch waren schon gewisse Einschränkungen gegeben. In Tasmanien sind wir fündig geworden. Es ist eine kleine Insel südlich von Australien. Richtung Südpol. Da sind die Klimaverhältnisse schon etwas gemäßigter. So zeichnet sich die tasmanische Wolle durch eine ganz besondere Feinheit aus. Mit bis zu 16,5 Micron bewegen wir uns da schon im Cashmere-Bereich. Genau auf diese Wolle sind auch unsere Farmer spezialisiert. Und das zweite: Uns verbinden gemeinsame ethische Werte. Die tasmanischen Farmer, die mit Ortovox zusammenarbeiten, haben beispielsweise nicht aus ökonomischen Gründen mit dem Mulesing aufgehört, sondern aus ethischen Überzeugungen, und das sind genau die Leute, die wir suchen.

Wie sichert Ortovox die Qualität der Wolle?

Für uns ist es sehr wichtig die Transparenz in der gesamten Lieferkette sicherzustellen. Das fängt bereits bei den Farmern an. Wir wissen genau, mit welchen Farmen wir zusammenarbeiten und welche Farmen wie viel Wolle in welche Waschpartie und welche Garne gebracht haben. Das können wir mit einer App nachvollziehen und so können wir auch zurückverfolgen, dass nur unsere Wolle in unseren Produkten steckt.

Gibt es bestimmte Kriterien, worauf Kunden beim Kauf von Merinowolle achten sollten?

Aus unserer Perspektive ist es ein absolutes Muss, dass die Wolle ein Non-Mulesing-Label trägt. Das ist nicht bei allen gegeben, aber das Verständnis und das Bewusstsein dafür nimmt immer mehr zu, vor allem in Europa. Hinzu kommt: Je feiner die Wolle ist, desto geschmeidiger ist sie – dadurch aber auch anfälliger für Pilling. Wenn ich als Kunde auf der Suche nach einem robusten Produkt bin, sollte ich in Kauf nehmen, dass die Wolle etwas stärker ist, dafür aber fester. Wenn ich eher empfindliche Haut habe, sollte ich darauf achten, auch nur feinste Wolle an meine Haut zu lassen.

Was genau versteht man unter Mulesing?

Unter Mulesing versteht man eine Praxis, die vor allem in Australien angewandt wird. Das geht auf John W. H. Mules zurück. Er hat festgestellt, dass die Möglichkeit besteht die sogenannte Flystrike zu verhindern. Das ist eine Krankheit, bei der sich Fliegen in der Wolle der Schafe einnisten und dort ihre Eier ablegen. Die Maden kriechen dann in den Darm der Schafe, woran das Schaf elendig zu Grunde geht. Um das zu vermeiden, war ein Ansatz von Herrn Mules die Hautfalten der Lämmer um den After wegzuschneiden, sodass sich da kein Dreck ansammeln kann und sich keine Fliegen mehr einnisten können.

Merinoschafherde auf grüner Weide
Die tasmanischen Farmer haben einen Weg gefunden das umstrittenen Mulesing zu vermeiden: durch zusätzliche Schur und Züchtung der Schafe. | Foto: Ortovox/Alastair Bett

Was machen die tasmanischen Farmer stattdessen?

Unsere tasmanischen Farmer vermeiden Mulesing nur durch sehr, sehr viel Aufwand. Sie scheren die Schafe zusätzlich unter dem Jahr. Das heißt es wird nochmal ein fast kompletter Scherprozess durchgeführt. Die Schafe werden zusammengetrieben, die Scherer kommen noch einmal und dann wird um den Schwanz die Wolle geschoren. Diese ist nicht einmal sehr wertvoll. Und der zweite Ansatz ist, die sogenannten „Wrinkles“, die Hautfalten die das Merinoschaf von Natur aus hat, wegzuzüchten und über viele Generationen hinweg Schafe mit glatter Haut zu züchten. So werden auch die Hautfalten um den After vermieden und die Fliegen können sich nicht so leicht einnisten.

Merinowolle von Ortovox: Vom Schaf zum Shirt

Wie entsteht denn eigentlich ein typisches Ortovox Wollprodukt?

Das typische Ortovox-Wollprodukt entsteht schon lange vor der Produktion in unseren Köpfen bzw. durch Ausprobieren. Wir sind sehr viel draußen in den Bergen unterwegs und stellen so fest, wo wir uns noch verbessern können. Außerdem sind wir immer auf der Suche nach neuen Techniken und sprechen aber auch viel mit Farmern, um herauszufinden, welche Wolle für uns sinnvoll ist und welche Wolle welche Eigenschaften hat. Nach der Auswahl der Wolle gehen wir zu den Spinnereien und entwickeln unsere eigenen Garne sowie Stoffe und zum Schluss natürlich auch unsere eigenen Produkte, wo wir die jeweiligen Vorzüge der Wolle an den richtigen Stellen einsetzen.

Ihr setzt bei Ortovox häufig auf einen Materialmix. Welche Vorteile hat das?

Wir setzen von Anfang an auf einen Materialmix. Dabei verbinden wir immer die Funktionalität von technischen Materialien mit der Naturfaser Wolle. Wolle hat große Vorteile, wenn sie nah am Körper getragen wird. Als natürliche Klimaanlage funktioniert sie super. Aber sie ist ein bisschen empfindlich. Deshalb setzen wir Merinowolle häufig als Innenmaterial ein und eine technische Faser wie Polyamid als Außenmaterial. Das schützt vor Fels und Wasser. Im Unterwäschebereich haben wir zum Beispiel auch spezielle Spinntechniken aufgenommen, die die Reißfestigkeit des Materials erhöhen. Dazu wird beispielsweise ein Nylonfaden mit Merinowolle umsponnen. Das gibt Stabilität und reduziert die Tendenz zu Löchern.

Wie lange braucht die Wolle vom Schaf zum fertigen Ortovox Produkt?

Logo Ortovox Wool Promise
Farm Management, Tierschutz, Land Management sowie Transport und Schlachtung: Diese Bereiche müssen für den OWP den hohen Qualitätsstandards von Ortovox genügen. | Bild: Ortovox

Die Schafe werden einmal im Jahr, meist im November, geschoren. Von da an dauert es ganze zwei Jahre bis diese Wolle als Produkt im Shop landet. Da unsere langfristigen Verträge mit den Farmern auf Mengen basieren, bedeutet das für uns, dass wir bereits sehr früh ein Gefühl dafür entwickeln müssen, wie viel Wolle wir für die kommenden Jahre benötigen.

Welchen Vorteil habe ich als Kunde, wenn ich Merinoprodukte von Ortovox kaufe?

Als Kunde kann ich dann sicher sein, dass das Versprechen von unserem Ortovox Wool Promise (OWP) auch sicher eingelöst wird. Wir garantieren damit Natur- und Tierschutz sowie Transparenz. Zusätzlich gehen wir natürlich davon aus, dass wir gute Produkte herstellen.

Ortovox setzt derzeit nur neue Wolle ein. Plant ihr in Zukunft auch recycelte Wolle in euren Produkten zu verwenden?

Der Einsatz von recycelter Wolle macht absolut Sinn und ist auch bei uns in der Entwicklung. Wir brauchen allerdings relativ lange für die Entwicklung neuer Produkte, da wir sicherstellen wollen, dass wenn wir etwas vorstellen, es auch wirklich funktioniert und unsere Qualitätsstandards erfüllt. Deswegen nehmen wir uns am Anfang sehr viel Zeit. Wir haben mehrere Ansätze, wie wir recycelte Wolle einsetzen wollen. Recycelte Wolle bedeutet allerdings auch, dass die ursprünglich lange Wollfaser zerrissen wird und nur noch kurze Fasern übrig bleiben. Dadurch sind die qualitativen Eigenschaften der Naturfaser definitiv andere.

Frauen und Mann beim aufräumen nach dem Klettern
Vom Schaf bis zum fertigen Produkt: dieser Prozess dauert bis zu zwei Jahre bei Ortovox. | Foto: Ortovox/Hansi Heckmair

Hast du ein Lieblingsprodukt aus Merinowolle?

Ja, das wechselt Gott sei Dank. Mit jeder neuen Kollektion bekomme ich ein neues Lieblingsprodukt. Mein aktuelles Lieblingsteil ist ein leichter Grid Fleece als Hoody, den ich bereits einige Male am Berg dabei hatte. Er funktioniert super, ist leicht, wärmt und ist zum Beispiel optimal beim Skitourengehen.

Stefan, vielen Dank für Deine Zeit und das Gespräch.

Video: Stefan Krause von Ortovox im Interview

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