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"Meine Zukunft ist mein Tag"

Im Interview: Ausnahmekletterin Angela Eiter

6 Minuten Lesezeit
Man kennt sie in der Region Imst genauso wie in Shanghai: Angela Eiter war eine der weltbesten Wettkampfkletterinnen und meisterte als erste Frau überhaupt den Grad 9b im Fels. Wir sprachen mit ihr über ihre Erfolge am Plastik und im Fels und darüber, ob sich Klettern und Umweltschutz vereinen lassen.

Über ein Jahrzehnt dominierte die Tirolerin Angela Eiter die Nachrichten der Kletterszene. Vierfache Weltmeisterin in der Disziplin Vorstieg, dreifache Weltcup-Gesamtsiegerin (Vorstieg), Gesamtweltcupsiegerin Kombination 2006, sechsfache Gewinnerin der Rock Masters und Europameisterin der Disziplin Lead. Doch auch nach dem Ende ihrer Wettkampfkarriere wurde es alles andere als still um die nur 1,54 Meter große Ausnahmekletterin. Als erste Frau kletterte sie im Jahr 2017 eine 9b und legte Ende 2020 mit einer weiteren 9b (noch unbestätigt) nach.

Wir haben mit Angela über ihre Erfolge und Projekte gesprochen und darüber, wie sich Klettern und Umweltschutz vereinen lassen.

Schon mit 15 feierte die heute 36-jährige Angela Eiter erste internationale Erfolge.

Benni Ruech

Schon mit 15 feierte die heute 36-jährige Angela Eiter erste internationale Erfolge.


Eine Hallenkletterin findet ihren Weg an den Fels

Bergzeit: 2013 hast Du Deine Wettkampfkarriere beendet. Was war der Auslöser?

Angela Eiter: Im Prinzip waren es zwei Gründe. Einerseits war ich durch die Strapazen des Wettkampfs sehr oft verletzt. Ich habe gemerkt, dass mein Körper gerade gegen Ende dieser Zeit immer öfter geschwächt war und immer länger für die Regeneration gebraucht hat. Zum Anderen hatte ich dadurch keine Kraft mehr für den Fels, für den ich zunehmend meine Leidenschaft entdeckt hatte.

Im Fels bist Du ja dann sehr schnell sehr stark gewesen, hast als erste Frau eine 9b geklettert. War das so geplant?

Angela Eiter La Planta da Shiva

Javipec

Mit der „La Planta da Shiva“ in Villanueva (Spanien) knackte Angela als erste Frau den Grad 9b.


Das Lustige war, dass zu der Zeit, als ich die „La Planta da Shiva“ geklettert bin, noch nicht einmal eine Frau eine 9a+ geschafft hatte. Ich selbst hatte 2014 meine erste 9a geschafft und dachte mir, für 2015 nehme ich mir eine 9a+ vor. Leider war in Spanien, in Villanueva de Rosario, wo ich zum Klettern war, keine einzige zu finden in diesem Gebiet. Eigentlich dachte ich zu diesem Zeitpunkt, dass ich wieder einpacken könnte.

Eher durch Zufall bin ich auf die Route gestoßen, weil ich den ersten Abschnitt (die ersten 25 Meter) geklettert bin, die mit 8c bewertet ist. Und dann wollte ich einfach wissen, wie es da weitergeht.

Wie bist Du an diese Herausforderung herangegangen, als der Entschluss feststand?

Die La Planta da Shiva hat mich total gefesselt, auch wenn ich anfangs so meine Zweifel hatte, ob ich es schaffen könnte. Durch die Arbeit konnte ich nicht immer vor Ort in Spanien sein, also hab ich mir die Route kurzerhand zuhause nachgebaut. Natürlich lassen sich die ganzen Feinheiten, Strukturen, die Verwindungen im Fels etc. auf Kunstwänden nur sehr schwer nachbauen. So war der Nachbau dann eigentlich eher ein Fitnesstraining.

9b war ja bis dato ein Bereich, den nur Männer klettern konnten. Wie haben Deine Kollegen reagiert, als sie davon gehört haben?

Die Überraschung in der Szene war groß. Ich habe sehr viel Zuspruch erhalten. Ich wollte ja eigentlich erst nach meiner Rückkehr zuhause darüber sprechen, aber nach einer Stunde hatte die Meldung im Internet schon die Runde gemacht und die Glückwünsche prasselten von allen Seiten auf mich ein.

Der Weg zum Profikletterer – was braucht man dafür?

Um so hart klettern zu können wie Du, welches Mindset braucht man da eigentlich?

In erster Linie ist es wichtig, dass man es will. Ich muss felsenfest davon überzeugt sein, dass ich es schaffen kann. Und am Tag selbst muss ich bereit sein. Alle Komponenten müssen passen – dazu gehört nicht nur die geistige Verfassung, sondern auch die körperliche, das Wetter, etc. Einzusehen, dass irgendetwas nicht passt, ist natürlich auch eine wichtige Voraussetzung. Dann muss ich es eben an einem anderen Tag wieder probieren.

Angela bei ihrem Sieg der Kletter-WM in Paris im Jahr 2012.

Redbullcontentpool / Stanko Gruden

Angela bei ihrem Sieg der Kletter-WM in Paris im Jahr 2012.


Angela bei ihrem Sieg der Kletter-WM in Paris im Jahr 2012.

Günter Durner

In ihrer neuen Heimatregion Imst bieten sich Angela perfekte Möglichkeiten auch weiterhin auf hohem Niveau zu Klettern.


Denkst Du, dass Du es als Frau schwerer hast bzw. hattest, eine Karriere als Kletterin aufzubauen?

Früher war es brutal schwierig, sich als Frau im Klettersport zu behaupten. Mittlerweile denke ich aber, dass die Männer erkannt haben, dass wir Frauen im Klettersport durchaus ernst zu nehmen sind und erstaunliche Leistungen bringen. Die Frequenz der Erfolge von Kletterinnen wird auch immer höher. Ich persönlich wurde eigentlich immer anerkannt und habe nie Probleme mit diesem Thema gehabt.

Ich glaube, Frauen können sich in diesem Beruf mittlerweile genauso gut behaupten wie Männer. Im Klettersport eine Karriere aufzubauen, ist für Frauen nicht schwerer als für Männer – es geht ja heute um so viel mehr, um ein gewisses Auftreten, Medienwirksamkeit etc.

Du unterrichtest ja auch Kinder in Kletterkursen. Woran erkennst Du, dass ein Junge oder Mädchen ein besonderes Talent fürs Klettern hat?

Talent ist ein sehr vielfältiger Begriff. Im Klettern ist es zunächst wichtiger, die Begeisterung oder Leidenschaft mitzubringen. Das sieht man bei einem Kind sofort, ob es sich gerne in der Wand bewegt und die Routen und Boulder als eine Art „Rätsel“ versteht. Dazu kommt natürlich die Bewegung – ist sie geschmeidig, intuitiv? Ich erkenne das durch Beobachtung: Wenn ein Kind technische, komplexe Aufgaben schnell löst und sich intuitiv dazu bewegt, hat es auf jeden Fall Talent.

Lassen sich Klettern und Umweltschutz vereinen?

Klettern und Reisen bestimmt Dein Leben. Machst Du Dir dabei auch Gedanken um Deinen ökologischen Fußabdruck?

Ja, sehr oft sogar. Unterschiedliche Klettergebiete zu erkunden macht natürlich den Reiz dieses Sportes aus. Aber ich habe mir vorgenommen, weniger oft und dafür länger an bestimmte Ort zu reisen, um meinen CO2-Abdruck zu verringern. Und ich versuche auch die Leute in meinem Umfeld zu motivieren, es mir gleichzutun. Natürlich bedeutet das auch, dass ich mein Verhalten ändern muss: Weniger spontan und kurzfristig irgendwo hinfahren und es lieber länger im Voraus zu planen.

Nachhaltigkeit im Klettersport bedeutet, dass man sein Verhalten ändern muss: Lieber länger an einem Ort bleiben und gut vorausplanen.

Angela Eiter
Ein bewusster Umgang mit der Natur bedeutet für Kletterer, weniger spontan und lieber länger zu verreisen, findet Angela.

Günter Durner

Ein bewusster Umgang mit der Natur bedeutet für Kletterer, weniger spontan und lieber länger zu verreisen, findet Angela.


Wie stehst Du dazu, dass das Klettern regelrecht zum Volkssport geworden ist in den letzten Jahren und die Felsen deshalb teils stark überlaufen?

Ich persönliche versuche, stark frequentierte Gebiete völlig zu meiden. Ich denke, dass man hier Respekt gegenüber der Natur und der einheimischen Bevölkerung zeigen sollte. Oft geht das mittlerweile ja auch mit einem sanitären Problem einher.

In diesem Fall rate ich dazu, Klettergebiete aufzusuchen, in denen Toillettenhäuschen aufgestellt worden sind. So hat zum Beispiel Climbers Paradise auf dieses Problem reagiert und in manchen Gebieten in Tirol Toilettenhäuschen errichtet.

Jedenfalls ist es sinnvoll, wenn wir Kletterer achtsam mit diesem Thema und generell mit Müll umgehen.

Was würdest Du Kletterern, die den Schritt von der Halle an den Fels wagen, raten?

Das Wichtigste ist ein bewusster Umgang mit der Natur. Jeder sollte sich draußen selbst ein Bild machen: Was macht unser Leben so lebenswert? Die Ressource Natur ist unser größtes Kapital und ohne sie gäbe es kein Klettern! Das ist wie mit einem Haus, wenn ich mir das gekauft habe und noch viele Jahre abbezahlen muss, möchte ich mich doch auch darin wohlfühlen und es soll nicht schmutzig oder vollgemüllt sein.

Hast Du Dein Verhalten verändert?

Ja, immer mehr sogar, ich werde mir immer bewusster. Müll wieder mitnehmen oder meine Brotzeit selbst vorbereiten, ist eigentlich schon lange an der Tagesordnung bei mir. Aber ich versuche auch meinen Konsum in Form von Kletterreisen immer weiter einzuschränken. Und ich versuche, so viel wie möglich zu recyceln: Meine Seile zum Beispiel – und davon habe ich doch einige! – gebe ich zum Beispiel Organisationen, die daraus Taschen oder Geldbeutel fertigen.

What’s next, Angela?

Wo siehst Du Dich selbst in 10 Jahren?

10 Jahre, so weit denke ich nicht mehr. Ich denke, mittlerweile sollten wir alle bemerkt haben, dass es teilweise schon schwer ist, den nächsten Tag vorherzusagen. Ich schaue, dass die Zukunft mein nächster Tag ist und ich ihn so lebe, wie ich ihn leben möchte und das Beste aus ihm heraushole. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir den Fokus auf das Hier und Jetzt zurückgewinnen und wieder mehr im Hier und Jetzt leben.

10 Jahre in die Zukunft, soweit plane ich nicht mehr. Meine Zukunft ist mein Tag und aus dem will ich das Beste machen.

Angela Eiter

Hast Du denn persönliche Wünsche für die Zukunft?

Das Wichtigste ist mir, dass ich gesund bleibe. Dazu ein Dach über dem Kopf und nette Menschen um mich herum. Ich hoffe, dass das so bleibt, ich bin ehrlich gesagt momentan schon sehr verunsichert von der ganzen Situation um mich herum. Was derzeit in der Welt passiert, macht mich schon etwas traurig. Kann gut sein, dass ich Dir in einem halben Jahr eine andere Antwort geben würde, aber im Moment mach ich keine großen Pläne und versuche einfach nur, zufrieden zu sein.

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