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Mehr als eine Hülle

Faszien: Welche Rolle spielen sie bei Sport und Therapie?

6 Minuten Lesezeit
Faszien sind in aller Munde. Doch was genau sind Faszien und wozu sind sie im Körper eigentlich da? Mediziner Basti Fiedler erklärt die Rolle von Faszien bei Sport und Bewegung und warum sie bei Training, Regeneration und Therapie zunehmend in den Fokus rücken.

Egal ob im Breiten- oder Spitzensport, im Training, der Regeneration oder in der Therapie: Das Konzept des Faszientrainings ist zunehmend auf dem Vormarsch. Sicherlich hast Du auch schon mal etwas von Faszien gehört?

Eng damit verknüpft ist das Training mit Schaumstoffrollen, wie zum Beispiel von der Firma Blackroll. Doch was verbirgt sich eigentlich genau dahinter? Was ist eine Faszie überhaupt? Und was sagt die wissenschaftliche Literatur zu dem Thema?

💡Definition: Die Faszie (lat. fascia)

„Wenig dehnbare, aus gekreuzt verlaufenden kollagenen Fasern und elastischen Netzen aufgebaute Hülle einzelner Organe, Muskeln oder Muskelgruppen; allg. Körperfaszien umhüllen die Gesamtmuskulatur des Rumpfes oder der Extremitäten.“

Aus Pschyrembel: klinisches Wörterbuch, de Gruyter Verlag, 261. Auflage 2007

Was sagt uns das nun? Am einfachsten stellt man sich die Faszie als eine dünne bindegewebige „weiße Hülle“ vor, die die Muskulatur umgibt. Genau so, wie man das auch von gekauftem Metzgerei-Fleisch kennt. Diese Hülle ist entweder um einzelne Muskeln, teilweise aber auch um Muskelgruppen herum ausgebildet.

Zusätzlich findet man auch im Bauchraum oder bei Organen Gewebeschichten, die diese wie eine Faszie umgeben: die sogenannten viszeralen Faszien.

Damit ist die oben angeführte, ursprüngliche bzw. „alte“ Definition einer Faszie eher eine anatomische Beschreibung über das Aussehen und den Aufbau von Faszien und deren Vorkommen, weniger jedoch über die funktionelle Bedeutung.

Die „neue“ Sichtweise auf Faszien

Während man früher den Faszien keine wichtige Bedeutung zugemessen hat, setzt sich seit einigen Jahren nun aber zunehmend eine neue Sichtweise auf das Thema durch. Wie bei neuen Betrachtungsweisen üblich, gibt es unterschiedlichste Fachmeinungen zu dem Thema und einige Aspekte sind bisher wissenschaftlich auch noch nicht abschließend geklärt.

Faszien sind erst vor ein paar Jahren in den Fokus von Sportlern und Therapeuten gerückt. Die Sichtweise auf ihre Rolle und Funktionalität hat sich gewandelt.

Bergzeit

Faszien sind erst vor ein paar Jahren in den Fokus von Sportlern und Therapeuten gerückt. Die Sichtweise auf ihre Rolle und Funktionalität hat sich gewandelt.


Das ist vollkommen normal – man stellt eine Theorie auf, prüft diese mittels wissenschaftlichen Studien und dann bestätigt oder verwirft man seine These. Dadurch werden wir auch in den kommenden Jahren weiterhin Neues über Faszien dazu lernen!

Derzeit geht man davon aus, dass Faszien eine wichtige funktionale Rolle spielen.

Faszien sollen für Kraft, Leistung, Beweglichkeit und auch Regeneration wichtig sein. Auch zur Prophylaxe von Verletzungen tragen sie bei. Zusätzlich diskutiert man ihre Wichtigkeit oft in Zusammenhang mit chronischen Schmerzen.

Doch woher kommen diese neue Sichtweise? Man hat mehrere Aspekte zu diesem Thema besser verstanden und auch neu interpretiert. Dazu gehört:

  • Faszien werden nicht mehr als reine Muskelhaut betrachtet
  • Faszien werden nicht mehr für sich alleine betrachtet, sondern in ihrer Gesamtheit
  • Faszien sind nicht nur Schutzhülle, sondern auch Formgeber

Faszien sind mehr als reine Muskelhaut

Man hat verstanden, dass es durch Verkürzungen oder Verklebungen der Faszie zu Funktionseinschränkungen mit Blick auf die Leistung aber auch die Beweglichkeit kommen kann. Durch Reizungen und dauerhafte Verklebungen kann es in der Folge auch zu Schmerzen kommen.

Andersherum geht man davon aus, dass eine geschmeidige Faszie wichtig für eine maximale Funktion (Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit) der darunterliegenden Muskulatur ist.

Faszien werden in ihrer Gesamtheit betrachtet

Man weiß mittlerweile, dass Faszien miteinander verbunden sind und so „Gesamtsysteme“ bilden. Das Fasziennetz zieht sich auf verschiedenen Ebenen durch den ganzen Körper und bildet ein Gerüst, dass den Körper zusätzlich stabilisiert. Dadurch werden Problemzonen auch nicht mehr für sich alleine betrachtet, sondern in einem System.

Ein einfaches Beispiel: Wade und Oberschenkel sind über Faszien miteinander verbunden – Probleme können daher in der Wade entstehen, im Verlauf dann aber auch im Oberschenkel präsent werden.

Faszien sind auch Formgeber

Faszien bilden keine gleichmäßige dünne Schicht, sondern können durch gezielte Verstärkungen die Form der Muskulatur maßgeblich beeinflussen. Auch können Faszien (je nach Aufbau) dehnbarer oder eher fester sein und so die jeweilige Funktion unterstützen.

Faszien in Sport, Regeneration und Therapie

Aus der neuen Sichtweise auf Faszien hat sich in der Folge eine neue Herangehensweise an das Thema etabliert. Die Berücksichtigung von Faszien hat in Sport, Regeneration und Therapie einen wichtigen Stellenwert erhalten. Häufig setzt man das Faszientraining mit Schaumstoffrollen gleich, es gibt aber auch andere Ansätze, wie man Faszien trainieren kann.

💡Wie trainiert man Faszien?

Wie das Faszientraining speziell mit der Rolle funktioniert erklärt Dir Sportwissenschafterin Julia Prechtl im Beitrag Faszientraining: Was ist das? Was kann das? Wie macht man das?

Ob Rolle oder nicht – das Prinzip ist oft ähnlich. Durch gezieltes Lockern und Dehnen von Fasziensträngen an besonders beanspruchten Regionen oder in Muskelgruppen mit bestehenden Beschwerden entspannst Du die Faszien und löst Verklebungen. Damit stellst Du den ursprünglichen Zustand wieder her.

Das Lockern von Muskeln und Faszien mit einer Faszienrolle ist zum Beginn selten angenehm. Einmal daran gewöhnt löst Du damit Verklebungen Deiner Muskeln.

Bergzeit

Das Lockern von Muskeln und Faszien mit einer Faszienrolle ist zum Beginn selten angenehm. Einmal daran gewöhnt löst Du damit Verklebungen Deiner Muskeln.


In Summe bewirkt diese Lockerung Deiner Muskulatur und Faszien, dass eine maximale Funktion gewährleistet und mögliche Beschwerden gelindert werden. Vor einer sportlichen Belastung soll durch das Faszientraining eine Leistungsverbesserung (Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit) erzielt und das Verletzungsrisiko minimiert werden.

Blackroll, Artzt vitality & Co: Alle Faszienrollen im Bergzeit Shop

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Wissenschaftliche Studien rund um Faszien

In medizinischen Fachzeitschriften gab es in den letzten Jahren einige Veröffentlichungen rund um Faszien und deren Training. Meist geht es dabei konkret darum, ob das Faszientraining mittels „foam rolling“ einen messbaren Benefit bringt.

Um einen guten Überblick über das Thema zu bekommen, eignen sich sogenannte „Meta-Analysen“ oder „systematische Reviews“. Das sind Studien, die wiederum eine Vielzahl anderer Studien auswerten, um einen Querschnitt durch die aktuelle Datenlage zu bekommen. Ich bin bei der Recherche zu diesem Artikel über drei interessante Studien gestolpert.

  • Eine systematische Review zum Thema „SMR“ (self-myofascial-release) bringt die Autoren Chris Beardsley und Jakob Škarabot2 zum Ergebnis, dass die Beweglichkeit verbessert und Muskelschmerzen reduziert werden. Jedoch wurde die reine Performance von Sportlern nicht verbessert. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die Erholung gefördert werden könnte.
  • Thimo Wiewelhove et al.3 kommen in ihrem Übersichtsartikel zu dem Schluss, dass die Vorteile bzgl. Performance und Erholung klein seien – jedoch in einigen Fällen trotzdem relevant werden können. Die Autoren sehen Vorteile des Faszientrainings eher vor der Belastung als in der Erholung. Dadurch werde die Beweglichkeit ohne gleichzeitigen Performanceverlust verbessert. In diesem Artikel wird explizit auf eine psychologische Komponente hingewiesen. Viele Sportler fühlen sich nach der Behandlung besser – auch wenn dies vielleicht schwierig in messbare Kategorien zu bringen sei.
  • Allison N. Schroeder und Thomas M. Best4 kommen in ihrer Meta-Studie ebenfalls zum Ergebnis, dass nach SMR die Beweglichkeit verbessert sei und Muskelschmerzen / Muskelmüdigkeit reduziert werden können. Jedoch sei noch unklar, welches die optimalen Anwendungsparameter (Zeitpunkt, Dauer, Intensität) seien.
  • Anmerkung: Die Zusammenfassung dieser drei Studien erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern ist lediglich ein kurzer Einstieg in die aktuelle Datenlage. 

Insgesamt sind die Ergebnisse der Studien jedoch schwer vergleichbar. Es wurden andere Trainingsprotokolle verwendet oder andere Parameter bzgl. Leistung und Erholung gemessen. Schließlich ist es auch so, dass sich „Leistung“ oder „Erholung“ aus verschiedensten Faktoren zusammensetzt und dadurch nur schwer in objektiven Messwerten ausdrücken lässt.

Fazit

Faszien gibt es schon immer – im Fokus von Sport und Therapie stehen sie erst seit einigen Jahren. Mittlerweile ist das Training von Faszien fester Bestandteil im Alltag von Sportlern und Physiotherapeuten.

Das Ausrollen und Trainieren von Faszien ist sicher kein „Allheilmittel“ und ersetzt kein vielseitiges, ausgeglichenes Training. Dennoch kann es als gute Unterstützung zur Verbesserung der Beweglichkeit, in der Regeneration oder zur Vorbeugung und Behandlung von Beschwerden dienen. Probier doch einfach mal aus, ob es Dir und Deiner Muskulatur gut tut!

Anleitungen zum Trainieren Deiner Faszien

Faszienrollen, Matten & Co.: Alles fürs Faszientraining findest Du im Bergzeit Shop.

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Dieser Beitrag wurde ursprünglich am 27. Juli 2020 veröffentlicht und zuletzt am 05. Jänner 2023 optisch überarbeitet.


Quellen zu diesem Beitrag

  1. Pschyrembel: klinisches Wörterbuch, de Gruyter Verlag, 261. Auflage 2007
  2. Beardsley, Chris, and Škarabot, Jakob. „Effects of self-myofascial release: A systematic review.” Journal of bodywork and movement therapies vol. 19,4 (2015): 747-58.
  3. Wiewelhove, Thimo et al. „A Meta-Analysis of the Effects of Foam Rolling on Performance and Recovery.” Frontiers in physiology vol. 10 376. 9 Apr. 2019
  4. Schroeder AN, Best TM. Is self myofascial release an effective preexercise and recovery strategy? A literature review. Curr Sports Med Rep. 2015;14(3):200-208

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