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Ins schroffe Hochland

Mit dem Fahrrad durch Island – ein Reisebericht

11 Minuten Lesezeit
Die meisten Touristen bereisen Island ganz bequem mit dem Geländewagen. Das war unserem Autor zu einfach. Er beschloss, Island mit dem Fahrrad zu entdecken. Über eine Radtour ins wilde Hochland mit Flussdurchquerungen, Geysiren und Gegenwind.

Schon länger reizte mich der Gedanke, Island mit dem Fahrrad zu bereisen. Der raue Norden faszinierte mich schon immer und diese Vulkaninsel hatte es mir besonders angetan. Warum aber unbedingt mit dem Fahrrad, auf einer Insel, wo das Wetter völlig unberechenbar ist? Ich wollte die Natur intensiver spüren, nicht nur aus dem Autofenster heraus – und gleichzeitig beim Fahrradfahren anders als beim Trekking auch größere Strecken überwinden.

Mit zwei Freunden machten wir uns schließlich auf nach Island. Die am meisten befahrene Ringstraße, die einmal um die Insel führt und die die meisten Radfahrer nutzen, war uns jedoch zu langweilig. Gerade das unerschlossene Hochland macht Island so magisch – die mangelnde Infrastruktur dort sollte uns aber einiges abfordern.

Der Nationalpark Þingvellir: Wo die Kontinente driften

Von Reykjavik starten wir unsere Island-Radtour Richtung Nesjavellir. | Foto: Johannes Wolf
Von Reykjavik starten wir unsere Island-Radtour Richtung Nesjavellir. | Foto: Johannes Wolf

Mitte August landen wir auf dem internationalen Flughafen bei Reykjavik. Auf dem Campingplatz direkt in der Stadt deponieren wir im Gepäcklager unsere Fahrradtaschen und gehen noch einmal unsere geplante Strecke auf der Karte durch. Unsere Radtour beginnt in Richtung Nord-Ost über die Straße 435 nach Nesjavellir. Nachdem wir mehrfach Karten und GPS-Gerät zur Hilfe heranziehen mussten, haben wir nun endlich die richtige Straße gefunden.

Die ersten Eindrücke auf dem Weg nach Þingvellir bestätigen unsere Vorstellungen von Island: Endlose Weiten sowie kahle und doch grüne Flächen mit Moos ziehen an uns vorbei. Acht Kilometer vor dem Þingvallavatn, dem größten See Islands, geht es mit den ersten Anstiegen los. Auf dem Weg dorthin zeigt sich die Insel das erste Mal in ihrer Farbenpracht: Vorbei an braunen, roten und grünen Hügeln radeln wir die Straße entlang, bis wir unser Nachtlager erreicht haben.

In Þingvellir offenbart sich unsere Erde auf einzigartige Weise, denn hier treffen die eurasische und die nordamerikanische Kontinentalplatte aufeinander. Das ist hier so anschaulich wie nirgendwo sonst. Eine lange Schlucht, die Almannagjá, zieht sich durch das Tal. Ein Stück weit kann man dort zwischen den Kontinenten wandern. Jedes Jahr driften die Platten merklich auseinander.

Endlich Hochland

Am nächsten Tag weckt uns die Morgensonne. Schnell verlassen wir den Campingplatz, der nahe der Schlucht liegt. Mit unseren Rädern wirbeln wir den Staub der ersten Hochland-Straße auf. Autos brauchen für die Strecke Allrad, andere Radfahrer sehen wir nur noch selten. Im Vergleich zum Vortag kommen wir hier nur noch langsam voran, der Sand und die Steine kosten Kraft. Wir füllen noch einmal unsere Wasservorräte auf, denn in den nächsten Stunden und auch am nächsten Tag führt unsere Route durch eine trockene Vulkansandwüste. Auf dem Weg liegt der Skjaldbreiður, ein Vulkan, den man relativ einfach besteigen kann.

Gullfoss: Zum goldenen Wasserfall

Nachdem es in der Nacht zu regnen angefangen hat, zeigt sich Island nach zwei Tagen Sonnenschein am Morgen von seiner anderen Seite, es bleibt grau und nass. Mit voller Regenmontur geht es weiter Richtung Geysir und Gullfoss, in der Ferne zeigt sich im Nebel der erste Gletscher, der Langjökull. Dank eines Tipps ändern wir unseren Plan, direkt nach Gullfoss zu fahren, denn die Straße nach Geysir soll landschaftlich viel schöner sein. Und tatsächlich: Nach fast zwei Tagen Vulkanwüste fahren wir nun durch einen Wald mit duftenden Sträuchern. Plötzlich ist es wieder grün und fruchtbar, wer hätte das vor wenigen Kilometern noch gedacht…

Nach der eintönigen Vulkanwüste wird es endlich wieder grün. | Foto: Johannes Wolf
Nach der eintönigen Vulkanwüste wird es endlich wieder grün. | Foto: Johannes Wolf

Nicht weit entfernt steigt eine riesige Fontäne auf – der Geysir Strokkur. Der eigentliche Große Geysir, nach dem übrigens alle anderen Geysire auf der Welt benannt sind, bricht inzwischen nur noch unregelmäßig aus. Bis vor einigen Jahren ruhte dieser bis zu einem Erdbeben komplett. Wenige Meter daneben gibt es jedoch zum Glück Strokkur, der regelmäßig – alle paar Minuten – aufsteigt.

In direkter Nähe schlagen wir unsere Zelte auf einem Campingplatz auf. Wer dort schlafen will, für den lohnt es sich, die Geysire erst abends anzuschauen, wenn die vielen Busse mit Tagestouristen weg sind. Am Abend radeln wir noch zum Gullfoss-Wasserfall, eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Islands, die nur etwa zehn Kilometer entfernt liegt. Da unsere Vorräte und das Gas sich langsam dem Ende neigen, müssen wir noch dringend einkaufen.

Die nächsten Tage soll es wieder ins einsame Hochland gehen. Nach einer kleinen Entspannung in der Secret Lagoon, einer heißen Quelle in Flúðir, radeln wir noch einige Kilometer weiter, bis uns ein atemberaubender Sonnenuntergang in der Nähe eines Flusses zum Verweilen einlädt. Dort schlagen wir unsere Zelte auf. Am nächsten Morgen wollen wir nach Landmannalaugar aufbrechen.

Mit dem Fahrrad durch den Nationalpark Landmannalaugar

Vorbei am Vulkan Hekla fahren wir immer weiter ins isländische Hochland hinein. Je tiefer wir in die raue und kahle Gegend vordringen, umso größer wird die Farbenvielfalt der Landschaft. Die Berge erscheinen immer bunter. Bald erreichen wir unser Ziel, einen Campingplatz. Der befindet sich mitten im Nationalpark, direkt neben einem heißen Fluss, in dem wir uns, nachdem das Zelt aufgestellt ist, erst einmal verdient entspannen.

Am nächsten Tag nieselt es bereits, als wir gerade unsere Taschen packen und aufbrechen wollen. Kurz darauf fängt es an zu regnen. Als wäre das nicht schon genug, müssen wir wenige Meter später die ersten Flüsse durchqueren. Brücken gibt es hier nur selten. Durch den Regen ist der Wasserpegel inzwischen so hoch, dass ein Durchfahren unmöglich ist. Es hilft nichts: Wir ziehen die Schuhe aus und waten durch das Wasser. Wenige Kilometer später die nächste Durchquerung. Diesmal probieren wir es und bleiben angezogen. Es kommt, wie es kommen muss: Kurz vor dem Erreichen der anderen Seite bleibe ich im Kies stecken und falle ins Wasser. Ich muss daran denken, wie wir uns noch am Vortag lachend gefragt hatten, wo denn die ganzen Durchquerungen auf der Karte seien. Nun, völlig durchnässt vom Regen und meiner Badeaktion, erfahren wir von entgegenkommenden Touristen, dass wir noch weitere 15 große Flüsse und drei kleine Bäche überwinden müssen.

Zur Belohnung unserer Mühen auf dem Fahrrad wartet Island immer wieder mit grandioser Landschaft auf. | Foto: Johannes Wolf
Zur Belohnung unserer Mühen auf dem Fahrrad wartet Island immer wieder mit grandioser Landschaft auf. | Foto: Johannes Wolf

Triefend und demotiviert fahren wir weiter, bis wir an einen Fluss kommen, der so tief ist, dass wir fast schon schwimmen müssen. Plötzlich taucht von hinten ein geländetaugliches Wohnmobil auf. Der Fahrer steigt aus, sieht sich den tiefen Fluss an und dann unsere Räder. Wenige Minuten später ist mein Fahrrad im Wohnmobil und wir fahren durch den Fluss. Was für ein Glück, ohne dieses „Taxi“ wären wir komplett durchnässt gewesen! Am Abend erreichen wir endlich unser Tagesziel Hólaskjól und fallen erschöpft ins Zelt.

Auf Umwegen bis Kirkjubæjarklaustur

Am letzten Tag unseres Hochlandabenteuers in Island habe ich dann den ersten Platten. Der ist jedoch schnell geflickt. Wir beschließen, noch einen kleinen „Umweg“ in Kauf zu nehmen, damit wir nicht so schnell auf die Ringstraße müssen. Wir wollen einen Pferdeweg befahren, nach einem Kilometer ist damit aber Schluss. Über durchfeuchtete Wiesen, hochgewachsenes Gras und kleine Bäche müssen wir uns schiebend vorankämpfen. Ich verfluche unseren „Umweg“. Nach acht Kilometern zu Fuß erreichen wir erschöpft endlich wieder eine Straße. Die Tortur hat sich jedoch gelohnt. Vor uns ragt ein rot-grüner Berg empor. Das Farbenspiel ist so faszinierend, dass die Anstrengungen der letzten Stunden vergessen sind. Zurück auf der Ringstraße radeln wir weiter bis Kirkjubæjarklaustur mit Blick auf den Vatnajökull, den größten Gletscher des Landes.

Im Sturm zum Vatnajökull

Nach unserem Hochlandabenteuer in Island müssen wir unsere Radtour schließlich auf der Ringstraße fortsetzen. | Foto: Johannes Wolf
Nach unserem Hochlandabenteuer in Island müssen wir unsere Radtour schließlich auf der Ringstraße fortsetzen. | Foto: Johannes Wolf

Lauter Wind und das Knattern unserer Zeltplane wecken uns am nächsten Morgen. Wieder einmal schwingen wir uns auf unsere Drahtesel und fahren in Richtung Vatnajökull. Dort liegt der Nationalpark Skaftafell/Vatnajökull, unser Tagesziel. Doch wir haben Gegenwind und kommen nur sehr langsam voran. Je näher wir an den Gletscher herankommen, umso stärker werden die Böen. Plötzlich liege ich verdutzt im Straßengraben. Was ist passiert? Ein Windstoß hat mich einfach vom Fahrrad gerissen! Man kann kaum noch stehen. Wir quälen uns trotzdem weiter, zum Glück wird der Wind irgendwann schwächer. Am Nationalpark angekommen, sehen wir einen Zettel, der davor warnt, an diesem Tag Auto zu fahren. Schließlich seien Windgeschwindigkeiten von 100 bis 120 Kilometer pro Stunde vorhergesagt.

Es ist der letzte Tag, bevor wir auf unserer Island-Radtour den Rückweg antreten müssen. Wir fahren mit dem Bus bis zum Jökulsárlón. Das ist ein Gletschersee, der am Fuße des Vatnajökull liegt. Riesige Eisberge treiben von hier aus langsam ins Meer. Durch die Gletscherschmelze wird der See von Jahr zu Jahr größer. Das liegt nicht nur an der Erderwärmung, sondern auch an den aktiven Vulkanen, die sich unter dem Gletscher befinden und speziell im Süden des Vatnajökull gefährliche Gletscherläufe, isländisch jökulhlaup, verursachen.

Vom Jökulsárlón zurück nach Reykjavik

Skogafoss in Island
Ein weiterer, kleiner Wasserfall im Hinterland. | Foto: Johannes Wolf

Die nächsten Tage haben wir Glück: Der Wind weht hier meist im Uhrzeigersinn, wir radeln also mit Rückenwind über die Ringstraße zurück nach Reykjavik. Auch wenn diese Hauptverkehrsstraße mit dem Fahrrad nicht gerade schön ist, rentiert es sich doch, sie ein Stückchen zu nutzen, denn so kommen wir zu vielen Sehenswürdigkeiten wie den beiden Wasserfällen Skogafoss und Seljalandsfoss. Nach knapp 1.000 Kilometern Radfahren erreichen wir schließlich Reykjavik – erschöpft, aber begeistert von dieser ungewöhnlichen Radtour.

Informationen zur Island-Radtour auf einen Blick

  • Ausgangspunkt und Ziel: Von Reykjavik zum Vatnajökull und zurück
  • Beste Reisezeit: Juli und August
  • Anreise: Die Anreise nach Island bewältigt man am besten mit dem Flugzeug. Aber auch mit dem Auto ist es möglich von Hirtshals, Dänemark, mit der Fähre nach Island zu fahren. Da es auf langen Touren meist besser ist, sein eigenes Fahrrad mit dabei zu haben, nahmen wir unsere Fahrräder als Sportgepäck mit. Ein guter Fahrradkoffer ist hier sehr zu empfehlen. Zwar geht ein Karton auch, dieser hat im Normalfall aber keine Rollen und so muss man ihn tragen. Wichtig ist, sich bei seiner Fluggesellschaft nach den genauen Transportbedingungen zu erkunden. Mit dem Flugzeug landet man am internationalen Flughafen von Keflavik, der etwa 50 Kilometer von Reykjavik entfernt ist. Man kann entweder direkt von dort starten oder mit einem der vielen Busunternehmen in die Hauptstadt fahren. Ein guter Ausgangspunkt für die Radtour ist der Campingplatz direkt in Reykjavik (www.reykjavikcampsite.is).
  • Kartenmaterial/Navigation: Als Kartenmaterial eignen sich die „Island Serkort“-Karten sehr gut, dort sind auch die kleinsten Wege eingezeichnet. Praktisch sind auch die kostenlosen „Cycling Iceland“-Karten, die es in den Touristeninformationen gibt.
  • Benötigte Zeit: Je nach Kondition und Auswahl der Strecke sollte man sich zwei bis drei Wochen Zeit nehmen.
  • Übernachtung: Wie in vielen anderen nordischen Ländern ist es auch in Island möglich, in der Natur sein Zelt aufzuschlagen. Allerdings sind die Regeln hier deutlich strenger. In Nationalparks ist es zum Beispiel verboten zu campen. Campingplätze findet man in fast jedem größerem Ort.
  • Verpflegung: Nur in den Städten gibt es die Möglichkeit, seine Vorräte aufzufüllen. Supermärkte gibt es nur in größeren Orten.
  • Trinkwasser: Die Trinkwasserversorgung ist in Island kein Problem. Die Bäche und Flüsse sind sehr sauber. Fährt man allerdings ins Hochland, sollte man gut die Karten studieren, wo man unterwegs Wasser bekommt und die Vorräte gut auffüllen.
  • Kosten: Die Kosten hinsichtlich der Flugpreise variieren sehr stark. Der Aufenthalt in Island an sich ist – zumindest als Camper- relativ günstig. Die Campingplätze kosten circa zehn bis 15 Euro pro Person.
  • Kommunikation: Der Mobilfunkempfang ist meist in Ordnung.

Die Etappen im Detail

  • Etappe 1: Reykjavik – Pingvellir ca. 69 Kilometer (Straße)
  • Etappe 2: Þingvellir – Straße F338 ca. 40 Kilometer (Hochland)
  • Etappe 3: Straße F338 – Geysir ca. 60 Kilometer (Hochland)
  • Etappe 4: Geysir – Fluss ca. 42 Kilometer (Straße)
  • Etappe 5: Fluss – Straße 26 ca. 62 Kilometer (Straße/Hochland)
  • Etappe 6: Straße 26 – Landmannalaugar ca. 50 Kilometer (Hochland)
  • Etappe 7: Landmannalaugar – Holaskjol ca. 40 Kilometer (Hochland)
  • Etappe 8: Holaskjol – Kirkjubæjarklaustur ca. 60 Kilometer (Hochland)
  • Etappe 9: Kirkjubæjarklaustur – Skaftafell ca. 70 Kilometer (Straße)
  • Etappe 10: Skaftafell – Hrifunes ca. 100 Kilometer (Straße)
  • Etappe 11: Hrifunes – Skogafoss ca. 80 Kilometer (Straße)
  • Etappe 12: Skogafoss – Selfoss ca. 100 Kilometer (Straße)
  • Etappe 13: Selfoss – Þorlakshöfn ca. 40 Kilometer (Straße)
  • Etappe 14: Þorlakshöfn – Grindavik ca. 60 Kilometer (Straße)
  • Etappe 15: Grindavik – Vogar ca. 50 Kilometer (Straße)
  • Etappe 16: Vogar – Reykjavik ca. 40 Kilometer (Straße)

Karte mit GPS-Daten

Download GPS-Track (Rechtsklick und Ziel/Link speichern unter)

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