226 Meilen. Ein ziemlich großer Fluss. Mein Kajak. Ich. Es ist schon ein paar Jahre her, da bot sich mir die Chance für die „Tour meines Lebens“: Selbstversorgt durch den Grand Canyon paddeln. 16 Tage fern der Zivilisation. Maximal eine Möglichkeit zur Flucht und drei persönliche Herausforderungen: schwere Wildwasserpassagen, Klapperschlangen und 15 größtenteils wildfremde Mitreisende. Anders gesagt: Verlockung, Phobie und 15 Unbekannte.
Zusammen geht alles besser! Fast immer.
Gemeinsam statt einsam. Viele Hände, schnelles Ende. Zusammen geht alles besser. Schlaue Sprüche gibt es einige – und sie zeigen auf, wo der große Vorteil einer Gruppe liegt: „Was dem einzelnen nicht möglich ist, das schaffen viele“, wusste schon Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Übertragen auf den Berg- und Outdoorsport heißt das: Ist Deine Traumtour für Dich alleine (viel) zu groß, dann buch Dir eine Gruppenreise. Alles easy, eh!?
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Egal ob im Kajak durch den Grand Canyon, Skibergsteigen in den Anden, Trekking in Nepal oder zu Fuß über die Alpen. Nachrangig, ob professionell geführt, privat organisiert, unterwegs mit Freunden oder Studienfahrt – die Umsetzung einer Tour wird leichter, wenn Gleichgesinnte mit dabei sind. Meistens zumindest. Denn die Zweckgemeinschaft einer Reisegruppe gibt es oft nicht ohne ihren großen Nachteil: es menschelt (mitunter gewaltig).
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Ich schlafe nur bei Licht und Du?
Lassen wir hier den romantischen Aspekt einer Gruppentour – neue Leute, anregende Konversationen, geteilte Erlebnisse, etc. – mal außen vor, dann bergen bunt zusammengewürfelte Konstellationen fremder Menschen die größte Gefahr für unerwünschte Nebenwirkungen.
Wenn die neue Bekanntschaft mit dem sehr netten, aber sehr(!) laut schnarchenden Reisepartner, unverhofft schnell im amerikanischen „Full Bed“ (137×191 cm, eine Decke, Buchungsfehler) an Vertrautheit gewinnt, dann gehört das sicherlich in die Kategorie „immer schön flexibel bleiben“. Gut, wenn die eigene Isomatte zur Hand ist, um kurzerhand an den Pool auszuwandern!
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Wenn die ultra-taffe Bergsportgämse mittleren Alters im Viererlager nachts nur bei Licht und – ungeachtet tiefer, zweistelliger Minusgrade – bei offenem Fenster schlafen kann, dann gehört das in die Kategorie „unerklärliche Phänomene der Menschheit“. Humor wäre angesagt. Wenn allerdings die gleiche Person am nächsten Tag am Gipfel stöhnt, weil sie schon wieder soooo lange auf die (übermüdete) Nachhut warten musste, ist der Spaß daran mäßig.
Ich kenne Dich! Nicht.
Aber auch grundsätzlich bekannte Reisebegleiter zaubern unterwegs manchmal ungeahnte Besonderheiten aus dem Hut: Etwa, wenn das mega-entspannte, spirituelle Selbstfindungsego in einer kärglichen Lodge im hintersten Winkel Nepals einen Kakao reklamiert, da dieser nicht wie bestellt zu gleichen Teilen aus Wasser und Milch am offenen Feuer zubereitet wurde.
Soll man sich da einfach fremdschämen? Auf die bizarre Situation hinweisen? Mit einer lockeren Handbewegung im Schläfenbereich die besondere Qualität rechtsdrehender Milchsäure erläutern? Oder die Szene gedanklich umarmen und annehmen, so wie sie ist? Namasté.
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Na Mahlzeit! Man wächst mit der Erfahrung
Geht die Truppe nach der Tour getrennte Wege, dann ist derartiges schnell als skurrile Reiseerinnerung abgehakt. Meist überwiegen ja ohnehin die positiven Aspekte des menschlichen Zusammenkommens, oder?
Nicht selten zahlt so ein Trip auch auf das persönliche Konto lehrreicher, zwischenmenschlicher Erfahrungen ein. Pädagogisch wertvoll, sozusagen. In anderen Fällen sind derartige Szenen richtungsweisend, ob das Abenteuer Reisegruppe in dieser oder anderer Konstellation dem eigenen Wohlbefinden und damit dem Erfolg der Tour zuträglich ist. Ob es gar nach Wiederholung schreit?
Lieber einsam oder doch besser gemeinsam?
Wer mehr unter den Befindlichkeiten anderer Menschen leidet als er aus der Gemeinschaft Gewinn ziehen kann, ist als Einzelgänger gut beraten. Dann heißt es: Mach es selbst oder lass es!
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Wer in der Gruppe trotz möglicher zwischenmenschlicher Reibungspunkte viel Gutes erkennt, dem seien für ein entspanntes Miteinander folgende Grundgedanken ans Herz gelegt:
- Jeder Teilnehmer bringt und trägt sein Päcklein. Auch Du selbst.
- Respekt, Bescheidenheit, Hilfsbereitschaft, Rücksicht und Freundlichkeit haben noch nie geschadet.
- Kompromisse sind der Schlüssel zur konfliktarmen Gemeinschaft.
- Flexibilität hilft.
- Humor auch.
- Der Sinn der Reisegruppe ist die Gemeinschaft. Mach mit!
- Irgendwen stört’s immer. Manchmal störst auch Du!
- Ommmmmm!
Kombiniert man diese Grundsätze mit Offenheit und einem positivem „Mindset“, dann lässt sich vieles, was man unterwegs so erlebt, mit einem Lächeln nehmen. Auch wenn es zwischendurch arg menschelt bleibt der Geist frei für das, worum es bei einer „Tour Deines Lebens“ eigentlich geht: Das Erlebnis, den Genuss und all das, worauf Du Dich schon monatelang gefreut hast!
PS: Am Grand Canyon hatte ich seinerzeit übrigens Glück: 226 abwechslungsreiche Meilen, nur ein (1) unfreiwilliges Vollbad, zwei (!!) Klapperschlangen, 15 großartige Menschen und 1.000.000 unvergessliche Eindrücke!