Wie eng müssen Kletterschuhe oder Boulderschuhe sein? Welche Größe sollte ich wählen und darf der Schuh auch komfortabel sein? Auf die Frage zur Größenwahl von Kletterschuhen wird Dir jeder eine andere Geschichte erzählen.
Ich gebe Dir hier fünf Fragen, die Dich bei der Wahl der passenden Kletterschuhe unterstützen.
- Die Frage nach der richtigen Passform eines Kletter- bzw. Boulderschuhs richtet sich nach Deinem Können, dem gewünschten Einsatzgebiet und natürlich der Beschaffenheit Deines Fußes.
- Auch die Art des Schuhs (hart oder weich, vorgespannt oder nicht) und der Hersteller sind zu berücksichtigende Faktoren.
- Generell gilt: Je härter Du klettern willst, desto enger wird der Schuh tendenziell sein.
- Probieren geht über studieren! Du solltest die Schuhe anprobieren und so Deinen Favoriten finden.
1. Welches Kletterniveau hast Du?
Abhängig vom Stil der Route gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen der Schwierigkeit der Kletterrouten und der potentiellen Trittgröße. Daher darfst Du in den unteren und mittleren Graden Deine Kletterschuhe ruhig größer wählen, sodass die Zehen noch nicht maximal aufgestellt im Schuh eingepfercht sind. Hier sind in der Regel ausreichend große Tritte vorhanden, die noch nicht so viel „Zehenspitzengefühl“ erfordern, wie in den höheren Schwierigkeitsgraden.
Es gilt die Faustregel: Je schwerer Du kletterst umso enger werden Kletterschuhe, da Du auf kleineren Tritten stehen musst.
So kann die Größenwahl zwischen Einsteiger und Experte schon einmal um ein bis eineinhalb Größen auseinandergehen.
✅ Wähle also als Einsteiger eher etwas bequemere Schuhe.
2. Für welches Einsatzgebiet brauchst Du die Kletterschuhe?
Abhängig von der Tragedauer wird auch Deine Größenwahl ausfallen. Für Alpintouren wirst Du eine halbe bis ganze Größe dazugeben, für extrem schweres und steiles Bouldern eher eine halbe bis ganze Größe wegnehmen.
Dazu einige grundsätzliche Tipps:
Kletterschuhe für Einsteiger
Als Anfänger bist Du in vielfältigsten Gelände unterwegs. Deshalb solltest Du viele Meter machen – und dafür brauchst Du einen eher bequemen Schuh, der Dir die Freude am Klettern nicht verdirbt. Mehr dazu erfährst Du im Beitrag Kletterschuhe und Boulderschuhe für Anfänger
Kletterschuhe für die Kletterhalle und Boulderhalle
In Boulderhallen findet sich der Kletterer nur zu oft im steilen Gelände oder auf großen Volumen wieder. Hier kommen vielfach eher weiche, stark vorgespannte Kletterschuhe zum Einsatz. In Kletterhallen beim Routenklettern darf der Schuh – je nach Kletterlänge – auch etwas steifer sein.
Steile Kletterei (kleine Tritte, Heel- und Toehooks)
Für beide Fälle sind stark vorgespannte, fest sitzende Schuhe die ideale Wahl, welche zudem auch entsprechend eng gewählt werden, um eine optimale, punktuelle Kraftübertragung zu erreichen.
Kletterschuhe für senkrechtes Gelände und kleine Tritte
Für diese Voraussetzungen beim Klettern bieten sich etwas härtere Schuhe mit einer leichten Vorspannung an, die bereits auch enger gewählt werden können.
Kletterschuhe fürs klassische Alpinklettern
Für das klassische Alpinklettern eignen sich weniger enge und mittelharte Schuhe ohne Vorspannung an. Zu weiche Schuhe wirken in langen Touren eher ermüdend und bei zu engen Schuhen werden die zehn Seillängen – oder auch mehr – irgendwann zur Qual.
Kletterschuhe für Risse im Granit
Bei Rissen im Granit bewähren sich entweder weiche, flache Slipper oder ebenfalls harte, aber flache Modelle. Ähnlich wie bei der Platten- und Reibungskletterei reichen in der Regel weniger enge Kletterschuhe aus.
💡Tipp: Im Bergzeit Magazin gibt es zahlreiche Testberichte von Kletterschuhen. Hier gibt der/die jeweilige Tester/in auch Tipps zur Größenwahl.
3. Welche Fußform brauchst Du bei Kletterschuhen?
Vielleicht hast Du schon einmal gehört, dass die Fußform bei Kletterschuhen eine wichtige Rolle spielt.
Bergzeit
Prinzipiell unterscheidet man nach der Zehenform zwischen drei verschiedenen Fußformen:
Ägyptisch: die Zehen bilden eine relativ gleichmäßige schräge Linie, ausgehend vom großen Zeh; Achtung: Ägyptische Füße müssen nicht zwingend schmal sein.
Römisch/Romanisch: Der große Zeh und die zwei nachfolgenden Zehen sind nahezu gleich lang.
Griechisch: eher breit; der Zeigezeh, also der Zeh nach dem großen Zeh, ist sogar etwas länger als der große Zeh.
Je nachdem, welche Fußform Du hast, passen Dir bestimmte Modelle besonders gut. Eben weil sie Deine Zehen weniger stark einengen oder zu viel Luft lassen. Zusätzlich kannst Du herausfinden, ob Deine Füße für diese Form eher schmal oder eher breit sind. Hier gilt folgende Faustregel zur groben Orientierung: Schuhe mit starker Asymmetrie passen eher zum ägyptischen Fuß.
Wenn Du auf der Grundlage der Fußform eine Vorauswahl treffen willst, gehst Du am besten folgendermaßen vor:
1. Finde heraus, welche Fußform für Dich am ehesten zutrifft.
2. Betrachte auf dieser Grundlage noch einmal die Kletterschuhe, die für Deinen Anspruch infrage kommen.
3. Schaue Dir die Produktbilder genau an, insbesondere die Ansichten von oben und von unten. Daraus kannst Du manchmal eine grobe Übereinstimmung mit Deinem Fuß ermitteln.
4. Achte auf die Informationen unter „Passform“ (hier wird oftmals schon eine Empfehlung angegeben). Unter dem Punkt „Eigenschaften“ findest Du Informationen zur Asymmetrie.
5. Lies die Kommentare und Kletterschuh-Testberichte; hier findest Du oftmals Hinweise von anderen Nutzern.
Als geeignete Kletterschuhe bei Hallux kommen beispielsweise die breiteren Modelle Ocun Ozone Plus und Mad Rock Remova HV Tokio Edition in Frage. Grundsätzlich besteht auch bei Kletterschuhen die Möglichkeit, diese in einem Fachgeschäft oder bei einem Schuster weiten zu lassen.
Mehr dazu erfährst Du in unserem Beitrag zum Thema Welche Wanderschuhe kann ich bei Hallux valgus tragen?
Außerdem gilt: Die Kletterschuhe so oft es geht ausziehen (sofort nach jeder Route und beim Sichern am Stand) und die Zehen einmal durchbewegen
4. (Pass-)Form und Verschluss
Abgesehen von den unterschiedlichen Schuhgrößen, hat jeder Hersteller ein unterschiedliches Sortiment an Modellen. Auf der Grundlage Deines Einsatzzwecks solltest Du zu diesen Punkten eine Auswahl getroffen haben.
- Harte Modelle für kleine Tritte und entspanntes Stehen.
- Weiche Modelle für ein maximales Trittgefühl und mit der Möglichkeit, mit den Zehen „zu greifen“.
- Symmetrische Leisten für eine entspannte Passform.
- Asymmetrische und/oder vorgespannte Leisten (Downturn) für die bestmögliche Performance.
- Eine hohe Zehenbox verlangt eher aufgestellte Zehen, als eine flache Zehenbox.
- Slipper mit einem Fixiergummi über Klettverschlüsse (Velcros) hin zu Schnürverschlüssen (Laces) für einen besseren Halt des Fußes im Schuh.
5. Bei welchem Hersteller suchst Du?
Schaue Dich um, wie andere Modelle eines Herstellers im Vergleich zur „Straßenschuhgröße“ ausfallen.
Kletterschuhe fallen je nach Modell und Hersteller im Vergleichzu einer „normalen“ Schuhgröße sehr unterschiedlich aus. Oft sind Größen innerhalb eines Herstellers die Größen einigermaßen vergleichbar, so bleiben Unterschiede zwischen den verschiedenen Herstellern bezüglich Größenschlüssel und Passform bestehen. Hier zwei Beispiele:
- So fallen tendenziell die Schuhe von La Sportiva am kleinsten aus, gefolgt von Scarpa.
- Bei adidas Five Ten oder Evolv hingegen liegt die passende Größe im Bereich der Straßenschuhe.
Somit ist ein zuverlässiger Vergleich zwischen den Herstellern schwer möglich und es helfen nur Erfahrungsberichte und Anprobieren. Hier helfen unsere Kletterschuh-Testberichte aus dem Bergzeit Magazin sowie unser Beitrag:
Franz Mösbauer
Franz Mösbauer
Das solltest Du außerdem bedenken
- Das Obermaterial bei Kletterschuhen ist häufig aus Leder oder Kunstleder, gefüttert oder ungefüttert. Leder ist anfangs noch relativ hart und unbequem, passt sich aber bald perfekt an den Fuß an. Kunstleder hingegen gibt kaum nach und behält dafür länger seine Form wie zu Beginn.
- Zudem kennt jeder das Problem, dass Füße am Abend dicker sind als am Morgen. Ähnlich verhält es sich bei kalten und warmen Temperaturen. So sitzt der Schuh im Sommer enger als im Frühjahr oder Herbst.
- Außerdem wird die individuelle Fußform des Vorderfußes sowie ein häufiger Größenunterschied zwischen dem linken und rechten Fuß die Wahl nicht vereinfachen.
Mein persönliches Fazit
Es gibt zwar verschiedenste Datenbanken und Größenempfehlungen im Internet. Jedoch führt schlussendlich kein Weg an einem Anprobieren und Durchtesten verschiedener Modelle und Größen vorbei.
Die Antwort fällt nicht leicht – sie hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Grundsätzlich gilt:
So eng wie nötig – und dabei so komfortabel wie möglich.
Wenn Du Dich gut fühlst mit dem Schuh und er Deinem Klettervorhaben entsprichst (Du also z.B. nicht von kleinen Tritten wegrutschst), dann hast Du die richtige Wahl getroffen. Es ist ein Prozess. Viele Kletterer suchen viele Jahre nach dem perfekten Kletterschuh.
Ebenso solltest Du auf Dein subjektives Gefühl vertrauen, ob Du auch mit einen engen Schuh auf lange Sichte zurecht kommst oder eher nicht. Mit zunehmender Erfahrung wirst Du Deine eigenen Vorzüge bezüglich Typen und Größen entwickeln. Sich in sehr engen Schuhen die Tour hoch zu quälen, ist nicht immer notwendig.
Video: Adam Ondra über Kletterschuhgrößen
In seiner YouTube-Reihe „Road to Tokio“ gibt Kletterprofi Adam Ondra seine persönlichen Tipps zum Thema Passform und Größe bei Kletterschuhen. Dass diese Tipps jedoch etwas extremer ausfallen, als für Hobbykletterer umsetzbar, liegt wohl in der Natur seines Talents … ;-)
Mehr zum Thema Kletterschuhe im Bergzeit Magazin
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