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Wenn aus Nebel breites Grinsen wird

Mit Deuter beim Bergzeit Alpincamp im Wilden Kaiser

6 Minuten Lesezeit
Einen Sechser solle man alpin klettern können, stand in der Ausschreibung. Besser einen Siebener. Und dann auch noch im berüchtigten Wilden Kaiser, wo ein Achter schnell mal ein Neuner wird. Was werden das wohl für Teilnehmer sein? Und was machen wir mit dieser miesen Wetterprognose? Hier erfährst Du alles über das Bergzeit Alpincamp mit Deuter.

Ankunft am Alpincamp mit Nebelsuppe und Donnerwetter

Freitag Abend, gegen 6 Uhr. Ich kam mit Bernhard gleichzeitig an, unsere drei Bergführer, Bergzeit-Christian und Paderborn-Markus waren schon da. Gebrochener-Fuß-Hannah und Sportskanone-Verena kamen später, der Verkehr spielte verrückt. Das Wetter ebenfalls, denn wo seit ungefähr einem halben Jahr nur noch die Sonne schien, sollte ausgerechnet heute Nacht Niederschlag kommen. In Form von Schnee. Ungünstig, wenn wir hier Alpinklettern wollen! Unsere Bergführer blieben optimistisch. Und behielten am Ende Recht.

Wir Teilnehmer waren etwas skeptisch, als wir nach einer gemütlichen Nacht in der Griesner Alm ohne Sicht hinauf zum Wildanger stiegen. Hier beginnt nicht nur die berühmte »Via Classica«, sondern auch zahlreiche kürzere Mehrseillängen. Wir sahen davon zunächst allerdings rein gar nichts, alles steckte im dichten Nebel.

Für einen kurzen Moment lichtete er sich und wir entschieden uns flink für eine scheinbar trockene Tour. »Wir«, das war der grinsende Bergführer Nils, die Hannah, eine durchwegs lachende Socke aus Stuttgart und ich, die Erika, den meisten wohl eher als Ulligunde vom gleichnamigen Blog bekannt. Während die anderen den Standplatzbau mit mobilen Sicherungsmitteln wiederholten, standen wir vor der »Donnerwetter«. 5+, sagt das Topo. E1, also geringes Gruselpotenzial.

Socken und Teufelchen

Nils fragte eher beiläufig, ob jemand von uns vorsteigen wollte. Bei mir hatte sich die letzten Jahre alles ums Alpinklettern gedreht – zumindest bis Anfang dieses Jahres, wo wir plötzlich das Gleitschirmfliegen entdeckt haben. Und so kam es, dass der Trip in den Wilden Kaiser tatsächlich das erste Mal Alpinklettern seit Monaten war. Das faule Teufelchen auf der Schulter wollte natürlich sofort den Vorstieg an den Bergführer outsourcen: »Viel chilliger! Warst ja schon ewig nicht mehr am Fels!«.

Engelchen siegt!

Hannah fror jetzt schon und wollte sich auch lieber im Nachstieg eingrooven. Das Engelchen auf meiner Schulter hielt währenddessen erfolgreich dagegen (»Hallo! 5+!! Jetzt trau dich mal was!«) und so schlich ich wenig später über griffige Platten den Haken hinterher. Kalt wars. Die Abstände jetzt auch nicht ganz Tannheimer-Tal-mäßig. Aber gar nicht so schwer, wie man einen Fünfer im Kaiser erwarten würde! Im Gegenteil, die Kletterei machte mächtig Freude!

Gebrochene Füße

Zwischendurch immer wieder spannende Kletterpartien mit super Ausblick
Zwischendurch immer wieder spannende Kletterpartien mit super Ausblick! | Foto: Michael Bückers

Bergführer samt Hannah kamen plappernd hinterher, unterbrachen ihre Unterhaltung nur kurz für die Antwort, ob jemand weiter Vorsteigen wolle (»Nööö, mach du ruhig!«) und quatschen noch immer, als wir uns am nächsten Stand wiedertrafen. Als Hanna gerade einlief, sagte sie im etwa gleichen Tonfall, wie jemand sich daran erinnert, dass er noch Äpfel einkaufen wollte, völlig beiläufig: „Ach, ich hab ganz vergessen, ich kann ja gar nicht vorsteigen!“. Es reichte für einen kurzen verwirrten Blick zwischen Nils und mir, bis Hanna die Misere aufklärte: „Ich hab ja eigentlich einen gebrochenen Fuß!“.

„Einen… was?!“ Seit drei Tagen dürfe sie laut Arzt wieder vorsichtig klettern, aber auf gar keinen Fall stürzen. Gesagt hatte sie nichts, weil sie unbedingt mitkommen wollte. Wilde Frau! Definitiv motiviert!

Starker Willi

Dem Flow tat das keinen Abbruch und so standen wir nur kurz später vor der benachbarten „Strong Willi“, immerhin 7-, weiterhin E1. Teufelchen und Engelchen lieferten sich wieder den üblichen Schlagabtausch („Hast doch jetzt gesehen, dass es noch geht. Jetzt chill doch mal!“ „Eeeh, hallo! Trau dich, wäre doch mega, wenns klappt!“) und so bibberten mir die zwei Plapperhasen kurze Zeit später hinterher.

Sen-sa-tion-eller Fels!

Mit jeder Seillänge wurde die Euphorie über diesen sensationellen Fels größer: So fest! So kompakt! So rau! Und diese Wasserrillen!! Vier Seillängen, aufgeschnittene Finger und gequetschte Füße später saßen wir wieder am Einstieg und kurz darauf auf der sonnigen Terasse des Stripsenjochhauses. Kaiserschmarrn, Radler, nette Leute, große Aussicht. Aus dem vermeintlich verschneiten, nebligen Tag war ein durch und durch schönes Erlebnis geworden!

Für den nächsten Tag mischten wir die Gruppen gemäß der aktuellen Vorlieben neu zusammen. Im Falle meines Teams: Sonne! Und Gipfel! Statt Nils hing nun Michi unter mir am Seil: Anderer Name, ansonsten gleiches Programm: Gute Laune, gute Geduld, gute Optik. Einziger Sympathievorsprung: Gleitschirmpilot – cooler Typ ;-)

Auch die Besetzung von Hannas Seilende hatte sich geändert: Sie hieß nun Christian, arbeitet selbst bei Bergzeit und konnte ebenfalls auf eine stattliche Reihe absolvierter Touren zurückblicken.

Gipfel-Sonne-Kaiserklettern!

Gipfel erreicht! Alle erschöpft, aber glücklich!
Gipfel erreicht! Alle erschöpft, aber glücklich! | Foto: Erika Spengler

Die Route Akku-Gaudi am Lehnepfeiler sollte uns in zwölf Seillängen hinauf auf die Karlspitze bringen. Während ich mir den Teil rund um die gut abgesicherte Schlüssellänge krallte, übernahm Christian das folgende schlecht abgesicherte, dafür leichte Gelände, während wir beide bereitwillig die schlecht abgesicherten und gleichzeitig schweren Seillängen unserer Ropegun Michi überließen.

Das Panorama wurde immer sagenhafter, von Glockner bis Venediger glänzten sie alle im herrlichen Sonnenschein, während wir uns schnatternd und lachend hinaufschafften. Als wir die letzte Seillänge hinter uns hatten, brachte uns ein luftiger Grat bis hinauf zum stattlichen Gipfelkreuz.

Auf zum Feierabendbier

Blick auf die Uhr: Olaf hatte mit Markus und Verena eine etwas kürzere Tour angepeilt, sie würden wohl schon längst beim Feierabendbier sitzen. Nils mit Hanna und Bernhard waren in etwas Langes, Schweres eingestiegen, befanden sich aber bereits beim Abseilen. Ob es sich für eine Abschiedsschorle noch ausgehen würde?

Wir genossen noch kurz das sagenhafte Panorama und huschten dann ins Tal: Über einen schmalen Rücken Richtung Fleischbank, durch leichtes Kraxelgelände hinunter in die Steinerne Rinne, endloser Abstieg durch ebendiese und ein kleiner Trailrun direkt zur Terasse der Griesner Alm. Und tatsächlich: Wir kamen nahezu gleichzeitig mit Team Nils/Hanna/Bernhard an und schnabulierten uns erst einmal quer durch die Speisekarte.

Rundum zufrieden!

Die Finger kaputt, die Beine müde, das Grinsen breit. Was für ein Wochenende! Großartige Leute, großartiges Ambiente und gerade am Wildanger hatten wir überraschend sagenhafte Kletterei gefunden. Ein rundum gelungenes Alpincamp. Ich will zurück!

Ein Danke!

Danke an dieser Stelle an Deuter, die uns mit einer kompletten Serie an Ruck- und Chalk-, Erste Hilfe- und Seilsäcken ausgestattet hatten. So werden wir noch lange eine Erinnerung an das Alpincamp im Wilden Kaiser haben. Danke natürlich auch an Bergzeit, das uns dieses Wochenende ermöglicht hat und an unsere großartigen Bergführer, die bereitwillig alle Wünsche berücksichtigt, die Organisation übernommen und die Stimmung trotz anfänglicher Wettersorgen hochgehalten haben.
Danke! Mega wars!

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