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"Angst hält dich am Leben"

Expeditionsbergführer Stephan Keck im Interview

16 Minuten Lesezeit
Bergsteiger, Expeditionsbergführer und Familienvater - Stephan Keck spricht im Interview mit dem Bergzeit Magazin über Ängste, sein Nomadentum sowie Limits und Grenzen, am Berg wie auch in der Gesellschaft überhaupt.
Bergführer und Extrembergsteiger Stephan Keck. | Foto: Alpinist
Bergführer und Extrembergsteiger Stephan Keck. | Foto: Alpinist

Normalerweise treibt er sich an den Achttausendern dieser Welt herum. Für sein aktuelles Filmprojekt „Heimschnee“ ist Stephan Keck in den Bergen seiner Heimat Tirol unterwegs – mit Freerideski und einem Heißluftballon. Was ist für ihn der Reiz bei der Sache? Und warum ist das Konzept Balloonskiing nur eingeschränkt kommerzialisierbar? Das erklärt er im Interview mit dem Bergzeit Magazin. Außerdem haben wir den Expeditionsbergsteiger gefragt, wieviel Sicherheit ein Bergführer garantieren kann, wie er Freiheit definiert und was sich für ihn auf Tour geändert hat, seit er Vater ist.

Stephan Keck über sein neues Konzept „Balloonskiing“

Franziska v. Treuberg: Ihr habt für Euren Film „Heimschnee“ eine neue Art des Freeridens entwickelt – Balloonskiing. Dabei seilt man sich samt Freerideausrüstung aus einem Heißluftballon ab, um dann abzufahren. Wie kommt man auf sowas?

Stephan Keck: Wir wollten von Anfang an einen Film produzieren, der „grün“ ist. Das heißt, wir verwenden weder Helikopter noch Skidoos, nur im Notfall für Kameraleute einen Lift. Wir steigen überall auf, schlafen am Berg und fahren wieder ab. Da habe ich dann eigentlich nur als Scherz gesagt: „Ja, wenn wir keinen Hubschrauber haben, dann nehmen wir halt einen Ballon“.

Geht es dabei also vor allem um den Umweltaspekt?

Für seinen neuen Freeride-Film "Heimschnee" seilt sich Stephan Keck mit vier weiteren Freeride-Kollegen aus einem Heißluftballon ab. | Foto: Andreas Ehrensberger
Für seinen neuen Freeride-Film „Heimschnee“ seilt sich Stephan Keck mit vier weiteren Freeride-Kollegen aus einem Heißluftballon ab. | Foto: Andreas Ehrensberger

So naturverbunden und umweltfreundlich wie man glaubt, ist ein Ballon gar nicht. Man verbrennt immerhin Gas. Aber es ist zumindest eines der letzten Abenteuer, weil man nie genau weiß, wo man hinkommt. Und wenn man schon fliegen will, dann ist es zumindest so umweltschonend wie möglich.

Was reizt Euch daran, Euch von einem Heißluftballon abzuseilen? Ist es das besonders ursprüngliche Wildnis-Erlebnis, das Abenteuer? Oder am Ende einfach nur der unverspurte Hang?

Natürlich will man als Skifahrer schon gerne den besten, unverspurten Hang. Bei uns in den Alpen, zumindest in Österreich, ist Heliskifahren bis auf zwei Gipfel verboten. Mit dem Ballon hat man den Vorteil, irgendwo – zufällig – hinzukommen, wo sonst noch keiner war. Das Skifahren und das Unverspurte ist also schon auch mit dabei. Aber der Hauptfokus ist das nicht, weil wir einfach nicht wissen, wo wir landen. Man steigt ja nicht immer ganz oben aus; oft muss man die letzten 200 Höhenmeter zum Gipfel noch aufsteigen. Wir haben alles dabei: Seile, Pickel, Steigeisen. Wenn wir am Gletscher aussteigen, brauchen wir sowieso die ganze Ausrüstung. Wenn man in einem felsigen Gebiet aussteigt, kann es schon sein, dass man vorher klettern oder abseilen muss. Das Schöne an der ganzen Sache aber ist, dass man im Winter um fünf in der Früh in den Ballon einsteigt und bei Sonnenaufgang in Gipfelhöhe auf 3.000 bis 4.000 Metern oben ist.

„Für den Piloten ist das ein ziemliches Risiko“

Du hast es schon angesprochen: Im Gegensatz zum Heliskiing kann man mit einem Heißluftballon nicht einfach an dem gewünschten Berg landen. Wie funktioniert das?

Im Prinzip braucht man schönes Wetter, nicht zu viel Wind, und man muss die Windrichtung im Auge behalten. Wir definieren erst einen Tag vor dem Start, wo wir starten, und hoffen dann, dass der Wind stimmt. Wenn wir in den Ballon einsteigen, haben wir drei bis vier Gebietskarten dabei, weil wir nicht genau wissen, wo wir aussteigen. Wenn wir abgeseilt haben, orientieren wir uns als erstes anhand der Karte, wie wir hier wegkommen. Das Spannende ist, dass man keinen Aufstieg hat; die Geländeeinschätzung fehlt einem daher. Man braucht also gutes Kartenmaterial und muss in der Lage sein, sich zu orientieren.

Und der Pilot, was muss der können?

Für einen Ballonfahrer ist das ein ziemliches Risiko. Der muss bis auf 25 Meter an den Berg bzw. den Grat ran. Aufgrund der Winde ist das mit einem Ballon nicht ganz so einfach. Für den Ballonfahrer ist das daher sehr anspruchsvoll. Für uns als Fahrer ist das eine weniger große Sache. Der Pilot bringt uns auf eine Schneeflanke oder bestenfalls auf einen Gipfel oder Grat. Dort steigen wir aus und er muss schauen, wie er weiterkommt.

Welche Gefahren und Risikofaktoren gibt es für den Ballonfahrer? Was kann dabei passieren?

Kein Abenteuer ohne Risiko: Beim Balloonskiing steigen die Fahrer schon mehrere Minuten vor der Landung aus und hängen am Seil. Der Ballonpilot muss nah an den Berg heranfahren. | Foto: Andreas Ehrensberger
Kein Abenteuer ohne Risiko: Beim Balloonskiing steigen die Fahrer schon mehrere Minuten vor der Landung aus und hängen am Seil. Der Ballonpilot muss dazu nah an den Berg heranfahren. | Foto: Andreas Ehrensberger

Beim Abseilen, in dem Moment, wo wir das Seil rausnehmen, steigt der Ballon mit zehn Metern pro Sekunde aufgrund des Gewichtsverlusts, und dann drückt es beim Ballon oben die Kappe ein. Wenn der Pilot das nicht schnell korrigiert, könnte er abstürzen. Oder wenn man an einem Gipfelgrat aussteigt und es gibt danach eine intensive Windwelle: Dann kann es sein, dass der Ballon hinten runterkippt. Oder wenn man in Bodennähe fliegt, wie wir das am Gletscher im Ötztal hatten, wo plötzlich wenig Auftrieb ist oder man die Thermik nicht ganz im Griff hat und der Ballon auf einmal aufsetzt – das sind sehr spannende Situationen. Bis jetzt ist aber immer alles gut gegangen.

„Bei Sonnenaufgang über allen Bergen zu sein, ist das Schönste“

Du bist als Bergsteiger schon einiges an extremen Sachen gewöhnt. War das Abseilen von einem Ballon etwas Besonderes für Dich?

Für uns war es kein großes Problem, weil wir viel am Berg unterwegs sind – wir gehen Fallschirmspringen und Paragliden, also sind wir die Höhe gewohnt. Wir haben aber einmal ein paar Leute von unserem Sponsor Red Bull eingeladen. Die haben sich dann im Ballon auf 4.000 Metern Höhe schon gefragt, was sie da überhaupt tun.

Kann das eigentlich jeder machen? Wie bereitet man sich auf so eine Aktion vor?

Wenn man das kommerziell machen würde, dann müssten die Leute drei Tage Zeit haben: Zuerst geht es in die Halle zum Abseilen und Klettern, damit ich prüfen kann, ob sie die Höhe vertragen und die Seiltechnik beherrschen. Dann gehen wir einen Tag Freeriden, damit wir wissen, dass sie Skifahren können. Und dann schaut man, ob das mit dem Ballon funktioniert. Man darf einfach keine Höhenangst haben. Im Ballon auf 3.000 bis 4.000 Metern ist es dann schon spannend, wenn die Leute rausschauen, weil es so weit runtergeht. Wenn man dann die Seile runterlässt und es wird ernst mit dem Aussteigen – man steigt ja aus dem Ballon schon bis zu zehn Minuten vorher aus – dann hängt man zwanzig Meter am Ballon und kommt erst langsam dahin, wo man sich loslöst.

Das heißt Balloonskiing wird dann bald als neues exklusives Bergführer-Konzept angeboten?

Noch vor Sonnenaufgang startet man mit dem Ballon und ist dann innerhalb einer Viertelstunde auf 4.000 Metern. "Für sowas muss man normalerweise sehr früh aufstehen", so Stephan Keck. | Foto: Andreas Ehrensberger
Noch vor Sonnenaufgang startet man mit dem Ballon und ist dann innerhalb einer Viertelstunde auf 4.000 Metern. „Für sowas muss man normalerweise sehr früh aufstehen“, so Stephan Keck. | Foto: Andreas Ehrensberger

Wir werden es wahrscheinlich schon anbieten. Es gibt bereits Anfragen. Aber das ist allein so teuer, dass ich annehme, dass das ein sehr kleines Klientel wird. Wir wollen das auch sehr in Grenzen halten. Wenn wir es anbieten, dann machen wir das maximal eine Woche im Sommer als Balloonhiking und eine Woche Balloonskiing im Winter. Denn es geht ja nicht nur um die Umweltverschmutzung durch das Gas, sondern auch darum, dass man in Naturräume aussteigt, wo man die Tierwelt stört. Außerdem gibt es bei uns in der Nähe nur einen Piloten, der das macht.

Wie funktioniert dann Balloonhiking?

Vom Naturerlebnis her ist es eigentlich das gleiche wie beim Ballonskiing: Bei Sonnenaufgang über allen Bergen zu sein. Man steigt in der Natur aus und wandert dann zur nächsten Hütte oder ins Tal oder auf den Gipfel. Natürlich spielt auch hier der Abenteuerwert mit rein, weil man nicht weiß, wo man landet. Das Schönste daran ist sowohl im Sommer wie auch im Winter das Panorama. Und das hat man eigentlich immer, denn wir starten nur in der Früh vor Sonnenaufgang. Normalerweise muss man für sowas sehr früh aufstehen und drei Stunden aufsteigen und schwitzen. Hier fährt man halt innerhalb von einer Viertelstunde auf 4.000 Meter.

Hat ein Bergführer eine Rückversicherung?

Du bietest ja sonst Bergtouren von ganz anderem Kaliber an. Wenn Du mit Teilnehmern auf Expeditionen unterwegs bist, woher weißt Du, dass Du da wieder heil rauskommst? Was gibt Dir Sicherheit?

Stephan Keck: Wenn wir jetzt mal beim Ballon bleiben – hier hätte ich keine Bedenken, eine Gruppe mitzunehmen. Alles, was in der Luft passiert, habe ich nicht im Griff. Wenn ich erstmal am Boden bin und abgeseilt habe, ist das anders. Aber egal, ob ich mit einem Ballon oder auf 8.000 Metern mit Gästen gehe: ich bin sehr abhängig von den Launen der Natur. Je mehr ich das respektiere und vorbereite, desto sicherer bin ich unterwegs.

Wir verkaufen als Bergführer natürlich keine Sicherheit. Wir verkaufen ein Erlebnis in Grenzsituationen, wo der Teilnehmer von vornherein ganz genau weiß, dass etwas daneben gehen kann. Das Restrisko bleibt und das muss jeder selber tragen.

Ansonsten versucht man natürlich gerade bei Expeditionen alles an Sicherheit dabeizuhaben, was man sich vorstellen kann – von Satelllitentelefon bis zum Laptop mit täglichem Wetterbericht hin zum Notfallsauerstoff. Wir kooperieren auch mit anderen Gruppen am Berg. Das heißt die Bergführer wissen, wer wo ist, damit man sich gegenseitig helfen kann. Man versucht, das Restrisiko in allen Bereichen soweit wie möglich einzuschränken.

Suchen Deine Kunden Dich oder suchst Du Dir Deine Kunden aus? Was sind Deine Kriterien, jemanden auf extreme Touren mitzunehmen?

Stephan Keck auf dem Himalaya-Gipfel Ama Dablam (6.814 Meter) im Oktober 2014. | Foto: Stephan Keck/Alpinist
Stephan Keck auf dem Himalaya-Gipfel Ama Dablam (6.814 Meter) im Oktober 2014. | Foto: Stephan Keck/Alpinist

Früher habe ich für große Veranstalter gearbeitet und da haben wir einfach Gruppen zugeteilt bekommen. Da weißt du bis zum Abfahrtstag nicht genau, was auf dich zukommt. Das verschärft natürlich die Entscheidungsstrategie am Berg. Aber wenn ich das Gefühl habe, das taugt mir mit denen nicht, dann drehe ich einfach früher um. Mittlerweile ist es so, dass ich eigentlich fast nur Gäste habe, die ich schon über Jahre kenne. Da weiß ich schon vor dem Losgehen, wer wie am Berg funktioniert.

Bei Expeditionen haben wir ein relativ umfangreiches Anmeldeformular, fast zehn Seiten lang. Die Teilnehmer müssen über ihre Erfahrungen berichten, sich selbst einschätzen. Da habe ich eigentlich noch nie schlechte Erfahrungen gemacht.

„Gerade beim Bergsport will ich kein Limit und keine Grenzen“

Entscheidest Du anders, wenn Du mit einer Gruppe unterwegs bist, als wenn Du allein bist?

Stephan Keck: Ja, schon. Ich gehe ja auch Soloexpeditionen. Da weiß ich, dass ich weniger Zeit brauche – ich muss nur auf meinen eigenen Körper achten und kann viel besser einschätzen, was ich noch schaffe. Das Limit ist also mit einer Gruppe wesentlich niedriger und der Sicherheitsfaktor ist wesentlich höher. Nur als Beispiel: Wenn ich ein Ziel habe, dass ich bis 14 Uhr erreicht haben will, dann halte ich das für mich strikt ein und drehe 14 Uhr um, auch wenn es nur noch 300 Meter zum Gipfel wären. Für die Teilnehmer ist das Limit halt wesentlich niedriger. Dann liegt es zum Beispiel nicht bei 14 Uhr, sondern 11 Uhr.

Auch beim Freeriden gibt es einen Unterschied. Ich fahre privat komplett andere Sachen, aber ich riskiere dann auch nur mein Leben. Bei der Diskussion um die vielen Lawinentoten in Tirol letzten Winter habe ich mich ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt: Solange ich allein in einer Lawine sterbe, und niemanden damit gefährde, sollte das eigentlich niemanden etwas angehen. Das ist unsere letzte Freiheit. Natürlich gibt es die Gegenargumente, wie die Bergretter, die suchen müssen. Aber ich war selber 25 Jahre aktiv bei der Bergrettung und habe mich nie gefragt, warum ich das mache, weil ich es gern getan habe.

Die Familie immer im Kopf, auch auf Expedition. | Foto: Stephan Keck
Die Familie immer im Kopf, auch auf Expedition. | Foto: Stephan Keck

Wir leben in einer Gesellschaft, wo wir alles limitieren und einschränken, und gerade beim Bergsport – das sage ich für mich selber privat – will ich kein Limit und keine Grenzen. Ich entscheide vieles nach Gefühl und lasse die Regeln, nach denen wir als Bergführer normalerweise entscheiden, oft einmal links liegen. Bis jetzt habe ich einfach viel Glück gehabt. Das hat nichts mit Wissen und Erfahrung zu tun, das ist einfach Glück. Man kann die Natur vor allem im Winter nicht einmal zu 85 Prozent einschätzen. Man kann die Limits weiter runtersetzen und gewisse Sachen nicht tun. Aber sobald ich mich darauf einlasse, diese Limits nicht mehr zu beachten, bin ich in einer ziemlich grauen Zone, wo man viel Glück haben muss.

Hat sich an Deiner Einstellung etwas geändert, seit Du Frau und Kinder hast? Setzt Du Deine Limits jetzt weiter unten an?

Es hat mich beim Expeditionsbergsteigen in meinem Tun schon beeinflusst, gewisse Sachen früher abzubrechen oder umzuplanen. Als meine Frau mit meinem Sohn schwanger war und ich am Nanga Parbat unterwegs war, war für mich ganz klar, dass ich in der Gipfelflanke umdrehe, weil zu viel Schnee lag. Jetzt im Nachhinein sage ich, wenn das alles nicht so gewesen wäre, wäre ich vielleicht weitergegangen. Es hat für mich also definitiv Phasen gegeben, wo ich vorsichtiger war. Man wird dann aber wieder relaxt. Mittlerweile hat sich das für meine Verhältnisse normalisiert. Jetzt gehe ich wieder ein bisschen mehr ans Limit. Aber schon auch mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass daheim Leute sind, die gern hätten, wenn man wieder heimkommt.

Im Unterschied zu damals weiß ich jetzt, dass meine Familie, auch wenn ich nicht heimkomme, zumindest abgesichert ist. Das ist zwar trotzdem nicht super, wenn was daneben geht, aber zumindest hat die Familie im dem Bereich keine Sorgen. Und das vergessen in unserem Sport brutal viele Leute. Da steht immer dieses oder jenes Ziel im Vordergrund und man vergisst oft ganz, was man den Leuten daheim antut, mal ganz abgesehen vom Menschlichen.

„Angst ist ein wichtiger Sicherheitsmechanismus“

Als Alpinist bist Du gewohnt, Situationen einzuschätzen und abzuwägen. Wie gehst Du da mit Ängsten um?

"Ich bin nicht so der typisch Sesshafte. Ich bin eher der Nomade." Als seine Kinder klein waren, ist Stephan mit seiner Familie jahrelang um die Welt gereist. Dabei ging es auch mehrere Monate im Hanomag-LKW durch Afrika. | Foto: Familie Keck
„Ich bin nicht so der typisch Sesshafte. Ich bin eher der Nomade.“ Als seine Kinder klein waren, ist Stephan mit seiner Familie jahrelang um die Welt gereist. Dabei ging es auch mehrere Monate im Hanomag-LKW durch Afrika. | Foto: Familie Keck

Stephan Keck: Ich glaube, dass dich die Angst am Leben hält. Man hat Ängste, man hat Respekt, vor allem beim Bergsteigen. Ich habe zum Beispiel einen wahnsinnigen Respekt vor irgendwelchen Wettergeschichten. Man sitzt schon hin und wieder mal in einem Zelt und fragt sich, warum bin ich eigentlich hier? Wenn ein Bergsportler oder Extremsportler sagt, er hat keine Angst, dann wird er nicht lang leben. Das ist schon ein wichtiger Sicherheitsmechanismus.

Man ist hin und wieder ziemlich überheblich, gerade wenn man glaubt, man hat viel Erfahrung. Und begibt sich in Situationen, in denen man nichts verloren hat. Man kriegt schon immer wieder mal einen Schlag und weiß, dass man in der Natur, auch wenn man gut trainiert ist, nicht unbedingt was ausrichten kann. Das kann durchaus auch daheim passieren, das muss kein extremer Berg sein.

Wirst Du irgendwann an einen Punkt kommen, wo Du sagst, jetzt reicht’s?

Ich glaube nicht. Die Schwerpunkte verlagern sich nur etwas. Früher hat es nur Berge für mich gegeben, inzwischen interessiert mich auch die Wüste oder das Wasser und der Dschungel. Aber das Abenteuer an sich und das Wegsein von den Massen, das wird mich nie ganz auslassen.

Als Eure Kinder klein waren, hattet Ihr keinen festen Wohnsitz und seid in der Welt herum gereist. Wie hat das funktioniert?

Als meine Tochter auf die Welt kam, sind wir die ersten fünf Jahre unterwegs gewesen, ich als Bergführer mit Frau und Tochter. Die waren dann mit in diversen Basislagern. Ich hatte acht Wochen Expedition, dann zwei Monate Urlaub. Dann haben wir das Land gewechselt. Ich habe das immer mit meinen Aufträgen verbunden und dazwischen möglichst viel Urlaub gemacht. Irgendwann kommt halt dann das Schulsystem. Ich glaube, dass es für ein Kind schon besser ist, wenn es gewisse soziale Strukturen hat. Deshalb haben wir uns entschieden, wieder sesshaft zu werden.

„Das war für mich psychisch eine größere Belastung als auf einen Achttausender zu gehen“

Du warst mit Deiner Familie im Himalaja und den Anden unterwegs, Ihr seid außerdem mehrere Monate lang abenteuerlich durch Afrika gereist. Gab es auf diesen Reisen Momente, wo Du Dir gedacht hast, das könnte etwas heikel werden?

"Ich bin jeden Tag unterm Auto gelegen und habe repariert, und das in Gegenden, wo vielleicht vierzehn Tage keiner vorbeikommt, wenn das Reparieren nicht funktioniert." | Foto: Stephan Keck
„Ich bin jeden Tag unterm Auto gelegen und habe repariert, und das in Gegenden, wo vielleicht vierzehn Tage keiner vorbeikommt, wenn das Reparieren nicht funktioniert.“ | Foto: Stephan Keck

Stephan Keck: Wir haben schon relativ viele spannende Situationen erlebt. Wir sind mit zwei Kleinkindern mit einem vierzig Jahre alten LKW, einem Hanomag, von Österreich bis nach Uganda gefahren, also überall dadurch, wo man jetzt nicht mehr hinreisen kann – von Lybien über Ägypten bis zum Sudan, nach Äthiopien und Kenia. Für mich war das psychisch eine größere Belastung als auf einen Achttausender zu gehen. Zuhause sagt dir sowieso jeder, du bist verrückt, wenn du sowas machst. Du fühlst dich so, als wenn du die ganze Verantwortung dafür hättest. Und dann noch das Fahrzeug; ich bin jeden Tag unterm Auto gelegen und habe repariert, und das in Gegenden, wo vielleicht vierzehn Tage keiner vorbeikommt, wenn das Reparieren nicht funktioniert. Mein Bub hat damals noch nicht einmal gehen können, der war ein Jahr alt. Die Herausforderung war dort natürlich auch wieder die Natur. Das waren Landschaften, mit denen ich nicht so erfahren war. Ich bin am Berg aufgewachsen, aber in der Wüste ist das anders, da werde ich wahrscheinlich kein Wasserloch finden.

In Burma sind wir einmal in ein Sperrgebiet gefahren. Da war eigentlich unser Glück, dass wir ein Kind mitgehabt haben, denn sonst hätten sie uns eingesperrt. Das würde ich heute nicht mehr machen. Inzwischen bin ich wohl etwas vernünftiger. Wobei, im Nachhinein betrachtet, ist nie was passiert und es war eine schöne Zeit.

Wenn Du so lange als Nomade gelebt hast: Wie lange hältst Du es überhaupt zuhause in Kramsach aus?

Ich bin ja ein klassischer Expeditionsbergführer. Bei uns in den Alpen jede Woche die gleiche Tour, das könnte ich überhaupt nicht. Obwohl es bei uns auch total schön ist. Ich mag einfach den Kulturwechsel und ich mag ein bisschen weg von unserer Hektik. Wenn ich für mich eine private Expedition mache, dann kommt es vor, dass ich nicht mal mein Telefon mitnehme. Da ist einfach mal zwei Monate keine Kommunikation.

Für mich ist das der Inbegriff von Freiheit, einfach gehen zu können. Und ich habe zum Glück eine Lebenspartnerin, die das akzeptiert und dahintersteht. Deshalb kann ich das so leben. Ich bin nicht so der typisch Sesshafte, ich bin eher der Nomade. Wenn die Kinder mit der Schule fertig und eigenständig sind, dann werden meine Frau und ich unseren Wohnsitz auflösen und wieder unterwegs sein.

Zum Schluss: Was hast Du immer am Berg dabei, was nicht mit Bergsport-Ausrüstung zu tun hat?

Stephan Keck im Interview mit Bergzeit Magazin-Redakteurin Franziska. | Foto: Bergzeit
Stephan Keck im Interview mit Bergzeit Magazin-Redakteurin Franziska. | Foto: Bergzeit

Das ist ne gute Frage. Das ist nicht an jedem Berg gleich. Ich habe fast immer Fotos von der Familie dabei. Außerdem trage ich meistens irgendein Schmuckstück, zum Beispiel den Stein, den ich umhängen habe. Die werden vor einer Expedition gesegnet und hängen dann solange, bis das Band von selber durchreißt. Ich hab auch fast auf jeder Expedition Brot von daheim vakuumverpackt dabei. Wenn ich nach Hause komme, freue ich mich am meisten aufs Wasser und aufs Brot. Ah ja, ich hab so ein kleines Zirbenkissen, das ich immer und überall mitnehme. Und einen Fotoapparat.

Wir danken Stephan Keck für das Interview.

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