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Neue Wege gehen

Arc’teryx Acrux FL Schuhe im Test: Für Zustieg und Wandern

6 Minuten Lesezeit
Arcteryx beschreitet neue Wege - mit seiner ersten Schuh-Linie und einer neuen Technik: Was bei anderen Schuhen fest verarbeitet ist, trennt der Hersteller beim Zustiegsschuh Acrux FL in Innenschuh und Außenschuh. Ein erster Praxistest.

Wie war das doch gleich? Schuster, bleib bei deinem Leisten oder so ähnlich? Und Schneider, bleib bei deinen Stoffen? Also warum sollte sich ein etablierter Hersteller großartiger Bergsportbekleidung ausgerechnet dem hochkomplexen Feld der Schuhmacherei widmen? Im Falle von Arc’teryx ist die Antwort ziemlich einfach: Weil er’s kann.

Noch vor dem offiziellen Verkaufsstart im Frühjahr 2015 hatte ich die Gelegenheit, das neueste Projekt der kanadischen Edelschmiede Arc’teryx auf Herz und Nieren zu prüfen – den Zustiegsschuh Acrux FL (Fast & Light). Zustieg? Das klingt nicht nach Forstweg oder kinderwagenfreundlicher Spaziermeile um den Weiher, das klingt nach Fels, nach weglosem Gelände, nach Herausforderung. Es klingt auch nach Höhenmetern, die möglichst leicht bewältigt werden wollen. Leichtigkeit ist jedenfalls das Allererste was auffällt, wenn man den Arc’teryx Acrux FL aus seiner Schachtel holt, eine ungewöhnliche Konstruktion ist das Nächste.

Zustiegsschuh mit den Vorteilen der Skischuh-Technik

Neues Konzept für Wander- und Zustiegsschuhe: Arcteryx' erste Schuh-Linie kombiniert einen herausnehmbaren Liner (hier rot) mit einem robusten Kunststoff-Außenschuh - für mehr Komfort im Schuh oder auch als Hüttenschuh-Ersatz. | Bela Elbich
Neues Konzept für Wander- und Zustiegsschuhe: Arc’teryx‘ erste Schuh-Linie kombiniert einen herausnehmbaren Liner (hier rot) mit einem robusten Kunststoff-Außenschuh – für mehr Komfort im Schuh oder auch als Hüttenschuh-Ersatz. | Foto: Bela Elbich

Was im Ski- und Hochtourenbereich längst Standard ist, findet sich beim Arc’teryx Acrux FL in einem sportlichen Halbschuh wieder: Eine Trennung zwischen Innen- und Außenschuh. Ein zungenloser Liner, der ein wenig wie eine dicke Socke wirkt, liegt direkt am Fuß und wird vom Außenschuh umspannt. Das Ganze erinnert an Neoprenschuhe der Surfer oder Innenstiefel von Skitourenstiefeln. Dadurch soll der Fuß fester eingebettet werden, ohne Reibung oder Druckstellen zu ergeben. Ich bin gespannt, schlüpfe rein und werde erst einmal positiv überrascht. Die meisten Schuhhersteller gehen davon aus, dass ein Fuß mit ordentlicher jährlicher Laufleistung irgendwann breiter wird, aber leider halten sich meine Füße nicht daran. Der Acrux FL passt, ich muss die Schnürsenkel nicht wie bei einem Korsett mit aller Kraft zusammenziehen, um meinen schmalen Haxen zu fixieren.

Der Liner selbst wird vor allem durch Flachnähte zusammengehalten, die Einzelteile des Außenschuhs hingegen sind verschweißt und wirken dadurch wie aus einem Guss. Ziemlich edel, ziemlich technisch, aufgeräumt und ohne überflüssige Design-Schnörkel, sogar meine Lebensgefährtin findet sie schick (und DAS will was heißen!). Tierfreunde aufgepasst: Kein Leder weit und breit, der Arc’teryx Acrux FL ist vollständig aus synthetischen Materialien hergestellt – quasi ein veganer Outdoorschuh. Diese Bauweise soll neben der Optik vor allem nahtbedingte Druckstellen eliminieren, zudem extrem schnell trocknen und auch pflegefaulen Leuten (also auch mir) entgegenkommen.

Praxiseinsatz: Der Arc’teryx Acrux FL fühlt sich auch in anspruchsvollerem Gelände wohl

Gipfelglück: in anspruchsvollem Gelände fühlt sich der Arcteryx Acrux FL Schuh richtig wohl. | Foto: Bela Elbich
Gipfelglück: in anspruchsvollem Gelände fühlt sich der Arc’teryx Acrux FL Schuh richtig wohl. | Foto: Bela Elbich

Die schnelle Runde auf den Hausberg bestätigt den ersten Eindruck bei der Passform: Egal ob auf Schotter, Wurzelpfad oder dem schroffen, felsigen Gelände kurz vorm Gipfel, das Ding sitzt wie eine Hufe und bringt mich auch blasenfrei wieder nach Hause. Ich bin beeindruckt, aber leider hat diese erste Tour auf den Wallberg nur wenig Erkenntnis über die Stabilität der Sohle gebracht – von Torsionssteifigkeit und Trittpräzision merkt man bei der guten Wegbeschaffenheit herzlich wenig.

Trotzdem lässt sich die Eignung des Arc’teryx Acrux FL als Werkzeug für anspruchsvolleres Gelände nicht leugnen. Ein Ausflug in die Stubaier Alpen soll den Beweis erbringen. Der Weg auf den fast 3.500 Meter hohen Schrankogel ist lang und verlangt den Waden knapp 2.000 Höhenmeter Aufstieg ab. Die bedingt steigeisenfesten Stiefel kommen dieses Mal im Rucksack mit, falls der stark verblockte Gipfelbereich meinen Sprunggelenken zu viel zusetzen sollte, aber – spoiler alert – sie werden gar nicht gebraucht. Vom Trampelpfad zu losem Geröll bis hin zur leichten Kletterei ist auf der Strecke alles dabei, und bei allem fühle ich mich im Arc’teryx Acrux FL Halbschuh wohl und sicher aufgehoben.

Griffige Vibram-Sohle: Kletterzone an der Spitze, Bremsrippen an der Ferse

Auch auf losem Geröll gibt die torsionssteife Sohle im Arcteryx Acrux FL Schuh genug Halt. | Foto: Bela Elbich
Auch auf losem Geröll gibt die torsionssteife Sohle im Arc’teryx Acrux FL Schuh genug Halt. | Foto: Bela Elbich

Auf trockenem Fels haftet die eigens entwickelte Vibram-Sohle des Zustiegsschuhs wie ein Kletterschuh, die Kanten sind sehr stabil und vor allem die Schuhspitze punktet durch Präzision. Die Ferse ist abgerundet, was das „normale“ Gehen erleichtert und durch die ausgeprägten Bremsrippen guten Halt auf rutschigem Untergrund bietet. Leider fehlt jedoch genau dort dann die Kante, die man sich im stark verblockten Gelände zum Absteigen „mit dem Rücken zur Wand“ wünscht. Weiter unten im Tal fällt mir ein weiteres Problem auf: Durch die fehlende Zunge finden manchmal kleine Kiesel ihren Weg zwischen Liner und Außenschuh, schnell ausschütteln wie bei anderen Halbschuhen geht nicht wirklich und erfordert etwas Fummelei. Direkt bei Arc’teryx angefragt hieß es, dass zum Frühjahr, wenn der Arc’teryx Acrux FL auf den Markt kommt, ein feinmaschiges Netz unter die Schnürung hinzugefügt wird, um eben dieses Problem zu beheben: Also alles gut!

Der Sportler hat die Wahl: luftige Variante oder wasserdichter Gore-Tex-Liner

Einige Touren später ist mein Bild vom Acrux FL immer noch sehr positiv. Durch die luftige Materialwahl des Liners und die fehlende Zunge ist das Klima im Zustiegsschuh dauerhaft gut und ein Ausziehen der Schuhe treibt niemanden in die Einsamkeit. Wird der Schuh nass, ist er kurz nach dem unfreiwilligen Pfützenbad wieder trocken, ansonsten bietet Arc’teryx auch eine Variante des Acrux FL mit wasserdichter Gore-Tex-Membran im Liner an. Schmankerl: Die Liner des Acrux FL werden in ihren Varianten (mit und ohne Gore-Tex-Membran) auch einzeln erhältlich sein, sodass man seinem Arc’teryx-Schuh sowohl die luftige als auch die wasserfeste Variante verpassen kann.

Test-Fazit zum Arc’teryx Acrux FL Zustiegsschuh

Der atmungsaktive Innenschuh des Acrux FL trocknet schnell, aber hier ist die Grenze: Bei nassen Verhältnissen sollte man den Arcteryx-Schuh mit dem Gore-Tex-Liner ausstatten. | Foto: Bela Elbich
Der atmungsaktive Innenschuh des Acrux FL trocknet schnell, aber hier ist die Grenze: Bei nassen Verhältnissen sollte man den Arc’teryx-Schuh mit dem Gore-Tex-Liner ausstatten. | Foto: Bela Elbich

Zusammengefasst hat Arc’teryx einen gelungenen Start in die Welt der Schuhmacher hingelegt. Ein ungewöhnliches Konzept ist gut aufgegangen, der Acrux FL erfüllt seine Aufgabe als technischer Zustiegsschuh souverän. Durch die gute Sohle und sein leichtes Gewicht bewältigt er auch anspruchsvolles Gelände. Schuster bleib bei deinen Leisten? Bitte nicht!

Tipp: Als knöchelhohe Variante gibt’s von Arc’teryx neben dem Halbschuh Acrux FL den Bora Mid Wanderschuh – ebenfalls mit herausnehm- und austauschbarem Liner, mit oder ohne Gore-Tex.

Nützliche Infos rund um Outdoor-Schuhe:

Weitere Zustiegsschuhe im Test:

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